8. Barbara-Prammer-Symposium
Leben frei von Gewalt. Die Istanbul-Konvention und ihre Perspektiven.
„Gewalt gegen Frauen einschließlich häuslicher Gewalt stellt in Europa eine der schwersten geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen dar, die immer noch in den Mantel des Schweigens gehüllt wird.“
Das Barbara-Prammer-Symposium hat sich heuer intensiv mit der Istanbul-Konvention auseinandergesetzt und namhafte Expert:innen zum Austausch geladen. Die Istanbul-Konvention ist das weitreichendste international rechtsverbindliche Instrument, mit dem Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt werden sollen. War Österreich in der Erstellung des Regelwerks vor 11 Jahren mit seinen Gewaltschutzgesetzen, dem Recht auf Prozessbegleitung oder den Anti-Stalking-Maßnahmen Vorbild, scheint unser Land in Sachen Gewaltschutz wieder zurückzufallen. Die Situation in anderen europäischen Staaten stellt sich noch dramatischer dar. So ist die Türkei bereits aus der Istanbul-Konvention ausgetreten, andere Staaten wie Polen, Slowenien und die Slowakei bereiten einen Austritt vor. Fundamentalistische, autoritäre Organisationen versuchen zunehmend, internationales Recht zu unterlaufen.
Dass akuter Handlungsbedarf in Österreich besteht zeigen zumindest 31 Frauenmorde im vergangenen Jahr. Die erste Keynote-Sprecherin, Rosa Logar, brachte die Forderung zahlreicher Gewaltschutzorganisationen nach einer Budgeterhöhung um 228 Millionen Euro vor: „Derzeit betreut eine Beraterin etwa 250 bis 300 Betroffene im Jahr. Wir können mit den derzeitigen Mitteln jeder Betroffenen nur etwa sieben Stunden pro Jahr widmen. Das reicht einfach nicht. Wir fordern daher einen gesetzlich festgelegten Betreuungsschlüssel für die Beratungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen!“ Auch die zweite Keynote-Sprecherin, Johanna Nelles verwies auf eine verbindliche Empfehlung der GREVIO, dem unabhängigen Expert:innenorgan zum Monitoring der Istanbul-Konvention, finanzielle Mittel auszuweiten. Empfohlen wurde ebenso die Einführung einer Rechtsgrundlage zur Finanzierung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Außerdem zeigte der GREVIO-Bericht, auf, dass in Österreich Unterstützung und Beratung nicht allen Gruppen von Frauen gleichermaßen zugänglich sind. Das Angebot müsste besonders für marginalisierte Gruppen von Frauen wie Frauen mit Behinderungen, asylsuchende Frauen und Frauen mit Suchtproblemen ausgebaut werden. Als Vorbild verwies die Exekutivsekretärin der Istanbul-Konvention auf die Stadt Wien und ihrem Ansatz, Betroffenen nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine weitere Bleibe zu finden.
In den Workshops am Nachmittag wurde mit Expert:innen in kleiner Runde diskutiert was einen guten Gewaltschutz ausmacht und welche Schritte dafür notwendig sind. Zentrale Koordinierungsstellen in jeder (supra-)nationalen Regierung, verbindliche Gesetze statt Resolutionen und Druck aus der Zivilgesellschaft für die Umsetzung und Einhaltung der Konvention sind nur einige wenige Punkte. Die Ergebnisse wurden abschließend im Plenum noch kurz besprochen.
Programm
Eröffnung
Pamela Rendi-Wagner,
SPÖ-Klubvorsitzende und Bundesparteivorsitzende
Begrüßung
Doris Bures,
Zweite Präsidentin des Nationalrats, Präsidentin des Karl-Renner-Instituts
Eröffnungstalk
Eva-Maria Holzleitner,
SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende
Maria Maltschnig,
Direktorin des Karl-Renner-Instituts
László Andor,
Generalsekretär der FEPS
Keynotes
Rosa Logar,
Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle, GREVIO-Mitglied
Johanna Nelles,
Leiterin des Sekretariats im Europarat zum Monitoring der Umsetzung der Istanbul Konvention
Workshops
Workshop 1: Österreich und die Istanbul Konvention. Welche Relevanz hat die Istanbul Konvention aktuell in der österreichischen Politik?
Eva-Maria Holzleitner,
SPÖ-Frauenvorsitzende und Vorsitzende des Gleichbehandlungsausschusses im Nationalrat
Maria Rösslhumer,
Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser
Workshop 2: Wodurch ist die Istanbul Konvention bedroht? Analysen und Strategien für eine nachhaltige und wirksame Umsetzung.
Evelyn Regner,
Vorsitzende des Gleichbehandlungsausschusses im Europäischen Parlament
Rosa Logar,
Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle, GREVIO-Mitglied
Workshop 3: The new EU legislative proposals on violence against women. (English)
Valentine Berthet,
Phd candidate, Tampere University and EUGenDem Project
Claire Fourçans,
Policy & Campaigns Director, European Women’s Lobby
Laeticia Thissen,
Policy Analyst Foundation for European Progressive Studies
Workshop 4 Frauennetzwerke gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Offener Austausch über gelungene und wirksame Projekte, Kampagnen & Aktionen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen.
Klaudia Frieben,
Vorsitzende Österreichischer Frauenring, stv. Bundesvorsitzende und Bundesfrauenvorsitzende der PROGE
Romana Greiner,
Frauensprecherin der SJ
Präsentation der Ergebnisse und Resümee
Zum Symposium
Zum Gedenken an Barbara Prammer veranstalten das Karl-Renner-Institut, die SPÖ-Bundesfrauen, der SPÖ-Parlamentsklub und die Foundation for European Progressive Studies rund um den Geburtstag der ehemaligen Nationalratspräsidentin und Frauenvorsitzenden ein jährliches „Barbara-Prammer-Symposium“. Barbara Prammer setzte sich zeitlebens mit großer Leidenschaft und Kraft für Demokratie und Gleichberechtigung ein. Dieses Anliegen wird mit dem jährlichen Barbara-Prammer-Symposium weitergetragen.