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„Das autoritäre Restpotenzial war groß“

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums sprach Maria Maltschnig, die das Institut seit 2016 leitet, mit Erich Fröschl, der das RI von 1980 bis 1998 als Direktor leitete.

Erinnerst du dich an die Gründung des Karl-Renner-Instituts?

Als das RI gegründet wurde, war ich noch junger Aktivist im Salzburger VSStÖ und in der Jungen Generation. Das Gesetz zur Förderung der Parteiakademien wurde schon kurz nachdem die SPÖ bei den Nationalratswahlen 1971 die absolute Mehrheit errungen hatte, auf den Weg gebracht. Bruno Kreisky hat bei der Einrichtung von Parteiakademien zum einen auf seine Erfahrungen in Schweden bei der Arbeiterbildungsorganisation zurückgegriffen und sich zum anderen am deutschen Modell der Parteistiftungen orientiert. Es schwebte ihm eine moderne, offene Bildungsarbeit für die Partei vor. 

Die Einrichtung der Parteiakademien war für Kreisky ein wichtiger Teil seiner Demokratieoffensive. In seiner Rede zur Konstituierung des Wissenschaftlichen Beirates des Karl-Renner-Instituts im Dezember 1972 betonte er die aus seiner Sicht zentrale Rolle der Parteien für die Demokratie. Was wollte er durch die Einrichtung von Parteiakademien in diesem Zusammenhang erreichen?

Kreiskys Ziel war es, die Qualität der Ausbildung der in der Politik tätigen Menschen zu verbessern. Andererseits sollte damit der politische Diskurs gefördert werden.

Kreisky hat damals schon darauf hingewiesen, dass die Gefahr besteht, dass die Kluft zwischen den Regierenden und den Regiert-Werdenden zu groß wird. Und dem wollte er entgegenwirken mit einer Struktur, die dabei hilft, dass die Mitwirkung der Menschen an der Demokratie gestärkt wird.

Und darüber hinaus waren die Parteiakademien – und in unserem Fall das Karl-Renner-Institut – eine Möglichkeit, die Parteien zu öffnen. 
Man darf auch nicht vergessen, dass Anfang der 1970er Jahre in Österreich in Folge der beiden Diktaturen noch ein erhebliches Restpotenzial an autoritärem Gedankengut bestand und daher die oft zitierte „Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie“ nach Ansicht Kreiskys notwendig war. Der Gründungsdirektor Karl Stadler war in gewisser Weise auch ein Signal dafür. Er war Historiker, wurde von den Nazis vertrieben, lebte in England im Exil. Als Universitätsprofessor regte er Generationen von Historiker:innen zur Auseinandersetzung mit Demokratie, Autoritarismus und Faschismus an.

Du hast 1980 die Geschäftsführung des noch jungen Karl-Renner-Instituts übernommen. Was waren eure Herausforderungen in dieser Zeit?

Es haben sich zu dieser Zeit schrittweise unsere Aufgabenfelder herauskristallisiert. Zum einen waren das Aus- und Weiterbildung, Programm- und Personalentwicklung für die SPÖ und auch eine Unterstützung der Modernisierung der Parteistruktur. Zum anderen sollte das RI ein Transmissionsriemen zwischen Wissenschafter:innen und der SPÖ sein und Expert:innen in die Politikformulierung einbeziehen.  

Woran erinnerst du dich besonders gerne?

Bruno Kreiskys persönliches Steckenpferd war es, das Karl-Renner-Institut als Forum einer öffentlichen politischen Diskussion zu nutzen, um sozialdemokratische Positionen im weitesten Sinne einzubringen.

Er war derjenige, der viele Vorschläge gemacht hat, wen wir zu diesen Diskussionen einladen sollten. Oft kam es vor, dass er auf Reisen interessante Persönlichkeiten kennengelernt hat, die er dann später als Gäste an das RI gebracht hat. Besonders in Erinnerung ist mir dabei eine große Friedenstagung in der Hofburg mit Olof Palme, aber auch eine Veranstaltung mit Heinrich Böll in der Stadthalle. Nicht alle in der Partei waren davon überzeugt, dass wir das brauchen, aber Kreisky waren diese Diskussionen wichtig. 

Ein zentraler inhaltlicher Schwerpunkt im RI ist Internationale Politik, ein Bereich, den du auch bis zu deiner Pensionierung 2009 bearbeitet hast. Was hat euch damals besonders beschäftigt?

Das waren damals drei zentrale Themen. Erstens die Vorbereitung Österreichs auf die Europäische Union, dann natürlich ab 1989 die Demokratisierung in Osteuropa und schließlich die Frage der Globalisierung und die Entwicklung des globalen Südens.  

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dem Thema Außenpolitik eine Dringlichkeit verliehen, die es lange nicht hatte. Was muss man deiner Ansicht nach jetzt besonders beachten?

Niemand hat momentan ein Patentrezept. Putin sitzt am Drücker, und es gibt erhebliche Abhängigkeiten Europas, die über Nacht nicht lösbar sind. Es besteht das Risiko, dass es in Europa zu einer Zuspitzung der gesellschaftlichen Verhältnisse kommt, was wiederum Radikalisierung fördert.

Es kann ja auch kein Zufall sein, dass eine ganze Reihe rechter und rechtsextremer Parteien in Europa von Russland gefördert wurde, dass bei Demonstrationen Identitäre und Rechtsextreme mit Russlandfahnen auftauchen.

Ich finde es aber richtig, zu versuchen, mit Putin im Gespräch zu bleiben, wie das Olaf Scholz und Emmanuel Macron tun – auch wenn es kurzfristig nichts Konkretes bringt – und damit zu signalisieren, dass kein Interesse besteht, die Situation bis zum Äußersten zu eskalieren. Und letztlich wird es einen Verhandlungsfrieden brauchen. Die russischen Großmachtpläne erinnern unweigerlich an die Zeit des Faschismus in Europa. Die Konzepte von der Wiederherstellung des großrussischen Reiches und einem Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok, die da von russischer Seite propagiert werden, muss man ernst nehmen. Meine Mutter hat erzählt, sie und ihre Freunde hätten in den 1920er Jahren Hitlers „Mein Kampf“ und den „Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg gelesen und zu dem Zeitpunkt beides lächerlich gefunden. Ein paar Jahre später war es blutiger Ernst. 

Was wünscht du dem Renner-Institut zum 50. Geburtstag?

Dass es unter gesicherten ökonomischen Bedingungen arbeiten kann, dass es seine Aufgaben, insbesondere die Ausbildung von jungen Leuten, die in die Politik kommen, weiterhin intensivieren kann, und dass es stark als Multiplikator nach außen und inhaltlicher Ideengeber nach innen wirken kann.