Gleichstellungsindex: Defizite erkennen und beheben
Eine Teilzeitquote von 4% bei Männern und 73 % bei Frauen ist in Österreich Realität. Zumindest in einer Gemeinde in Österreich. Dem stehen positive Beispiele wie die burgenländische Gemeinde Tschanigraben gegenüber, wo die Teilzeitquote von Frauen und Männern bei rund 30 % gleichauf liegt. Diese und andere Daten haben das SORA-Institut und der Österreichische Städtebund im Gleichstellungsindex 2021 festgehalten. Anhand von 9 Dimensionen, die insgesamt 22 Indikatoren zusammenfassen, analysieren die Studienautor:innen die Lage der Gleichstellung in Österreich.
Daten auf Gemeindeebene
Neben einer Reihe von konkreten Erkenntnissen die Defizite und Fortschritte von Gleichstellung betreffend, zeigt der Index auf der Meta-Ebene wie wichtig regelmäßige Datenerhebungen zu diesem Thema sind - und dass die besten Daten wenig bringen, wenn sie nicht vergleichbar sind. Das Spannende an dem Gleichstellungsindex: die Daten sind auf Gemeindeebene ausgewertet. Damit ermöglichen sie einen Vergleich und so überhaupt erst konkrete Fragen zu stellen, wie „Warum funktioniert das in dieser Gemeinde gut, woran liegt das und was braucht es, damit es bei uns auch funktioniert?“. Der Index schafft auf diese Weise Anknüpfungspunkte, um gezielte gleichstellungspolitische Maßnahmen vor Ort in der eigenen Gemeinde einzubringen. Weiße Flecken der Gleichstellung können so gezielt bearbeitet werden.
In der Dimension Gesundheit haben sich die Autor:innen beispielsweise die Abdeckung von Gynäkologinnen mit Kassenvertrag genauer angesehen. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Hier erreichen wir im Durschnitt nur 21 von 100 möglichen Punkten. Nur ein Drittel der niedergelassenen Gynäkolog:innen sind Kassenärzt:innen, zwei Drittel praktizieren als Wahlärzt:innen. Von diesem Drittel sind wieder nur ein Drittel weibliche Frauenärzte mit Kassenvertrag. Zum Vergleich: bei der Abdeckung mit Urolog:innen mit Kassenvertrag sieht es schon viel besser aus, der Indexwert liegt hier im Durchschnitt bei 70 von 100.
Was tun gegen Abwanderung in der Gemeinde?
Mit dem Index kann es deshalb auch möglich sein, Erklärungen für die Abwanderung junger Frauen aus bestimmten Regionen zu identifizieren. Im aktuellen Bericht haben sich die Autor:innen dieser Frage angenähert und halten fest, dass eine gut ausgebaute Kinderbetreuung, öffentlicher Verkehr und eine gute Gesundheitsversorgung Gemeinden attraktiver macht und sich dort mehr Frauen lokalpolitisch einbringen. Für mehr Frauen auf Gemeinderatslisten gilt ähnliches: je höher die Qualität der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen ausgebaut ist oder je niedriger die Differenz der männlichen und weiblichen Arbeitslosenquote in dicht besiedelten Gebieten ist, desto höher ist der Frauenanteil in der Gemeindevertretung. Je mehr in den einzelnen Dimensionen Fortschritte erzielt werden, im Bereich der Gesundheit, der Erwerbstätigkeit, der Kinderbetreuung, desto eher bildet die Gemeinde ein Resilienz-Netzwerk von Gleichstellung fördernden Faktoren und verringert damit die Gefahr von Abwanderung.
Umgekehrt dokumentieren konkrete Beispiele gleichstellungspolitische Erfolge, die das WIFO analysiert hat positive Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote von Frauen und das Bruttoregionalprodukt hatte die Einführung des beitragsfreien Kindergartens. Im Bereich der Mobilität konnte nachgewiesen werden, dass durch den U1-Ausbau in Wien die Arbeitslosenquote jener Frauen, die in unmittelbarer Nähe der neu gebauten Stationen wohnen, stärker zurückgegangen ist, als jene der Frauen im übrigen Wien.
Die zu Beginn angesprochene Gemeinde erhält im Index übrigens den Wert 0. Im Durchschnitt erzielt Österreich beim Thema Teilzeitquote einen Indexwert von 18 – also noch ein langer Weg bis zur Gleichstellung. Es braucht bessere politische und strukturelle Rahmenbedingungen - und wie der Bericht zeigt, gibt es viele Möglichkeiten, bereits auf lokaler Ebene etwas zu tun.