Drinnen oder draußen? Wie der Sozialstaat Türen öffnet
Die Gegenwart spart nicht mit Herausforderungen: Wir erleben in Österreich immense Teuerungsraten, entsprechend hohen finanziellen Druck für viele Menschen, zunehmende Ungleichheit, wachsende Unsicherheit und starke Polarisierungstendenzen. Auch die schwerwiegenden Folgen der Klimakrise werden immer stärker spürbar.
Vor diesem Hintergrund fällt es nicht leicht, den Überblick über wichtige Entwicklungen zu bewahren und fortschrittliche Perspektiven für die Sicherung und Weiterentwicklung des Wohlfahrtsstaates zu bieten. Der aktuelle Band „Soziale Lage und Sozialpolitik in Österreich 2023: Entwicklungen und Perspektiven“, erschienen in der Schriftenreihe „Sozialpolitik in Diskussion“ der Arbeiterkammer Wien, versucht genau dies: rezente Analysen zusammen zu führen und damit einen aktuellen kritischen Überblick über die österreichische Sozialpolitik zu geben.
Nach Kurzvorträgen von Expert:innen, die am Band mitgewirkt haben, diskutierten wir darüber, wie der Sozialstaat Türen öffnet – und welche Maßnahmen dringend notwendig sind. Die Veranstaltung fand am 20. Juni 2023 bei uns im Karl-Renner-Institut statt.
Zentrale Aussagen der Expert:innen
Zur Bedeutung des Sozialstaats:
Der Sozialstaat ist das Vermögen der arbeitenden Menschen. Gäbe es den Sozialstaat nicht, wäre die Hälfte der Menschen von Armut bedroht.
Man stelle sich vor, wir hätten eine Corona-Krise ohne Sozialstaat gehabt: Ohne Versicherungs- und Gesundheitssystem, ohne Arbeitslosenversicherung und Kurzarbeit.
Zu sozialer Bildungsungleichheit:
In unserem Bildungssystem profitieren genau jene Kinder, deren Eltern ökonomisch und bildungsmäßig in der Lage sind, sie in der Schule zu unterstützen. Kinder, denen während der Covid19-Pandemie diese Unterstützung fehlte, weisen noch heute – 2 bis 3 Jahre danach – deutliche Rückstände auf.
Wir brauchen bildungspolitische Reformen, die den Blick auf die Herstellung von Chancengleichheit richten. Und wir brauchen eine bildungspolitische Systemdiskussion. Die ökonomischen, politischen und sozialen Folgekosten der aktuellen Bildungsungleichheit können wir uns nicht leisten.
Zu Armut und sozialer Ausgrenzung:
Die Lage hat sich in den vergangenen Monaten deutlich angespannt, das merkt man vor allem bei ausgabenbezogenen Fragen. Es gibt heute dreimal so viele Menschen wie zu Beginn der Teuerung, die nicht mehr in der Lage sind, sich von ihrem Gehalt eine Kleinigkeit zu gönnen.
Der Anteil jener, die nicht ausreichend heizen können, hat sich vervierfacht. Wir kennen Szenen, die sind eines reichen Sozialstaats nicht würdig. Eltern ziehen ihren Kindern zuhause Anoraks an, oder gehen ins Shopping Center, um sich aufzuwärmen.
Zu Vermögen und Reichtum in Österreich:
Weil wir an planetare Grenzen stoßen, müssen wir nicht nur über Armuts-Untergrenzen, sondern auch über Reichtums-Obergrenzen sprechen: In welchem Ausmaß dürfen einzelne Menschen Ressourcen verbrauchen und Treibhausgase ausstoßen – worunter dann aber alle leiden?
Reichensteuern ermöglichen es uns, die Gesellschaft gerechter, resilienter und angenehmer zu gestalten, ohne Leuten dabei finanziell weh zu tun. Das finde ich eine schöne Vorstellung.
Projektleitung
Mag.a Maria Maltschnig
Geschäftsführung