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Demokratie braucht Feminismus

10. Barbara-Prammer-Symposium – eine Nachlese

Demokratie, ein zentrales Anliegen der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, stand im Mittelpunkt des diesjährigen Jubiläumssymposiums. Die Hälfte der Weltbevölkerung ist 2024 zur Wahl aufgerufen – und die Ausgangslage rüttelt auf. Rechtspopulisten oder Rechtsextremisten tönen lautstark, können auf finanzkräftige Unterstützer zählen und sind bei Wahlen erfolgreich. Kommen sie an die Macht, unterminieren sie demokratische Prozesse, entziehen kritischen Medien die finanzielle Grundlage und bauen die Demokratie zu einer neuen, alten Form von autoritären Nationalstaaten um.

Für die Demokratie einstehen

Diese Entwicklungen lassen nicht nur in der feministischen Bewegung die Wogen hochgehen – aktuelle Demonstrationsbewegungen zeigen, dass viele Menschen bereit sind, sich gegen diese bewussten Umdeutungen und Unterwanderungen zu wehren. Dies war auch Thema des politischen Eröffnungstalks beim Symposium. Frauen können bei den Nationalratswahlen mitentscheiden, ob frauenpolitische Errungenschaften verteidigt werden müssen (wie aktuelle Beispiele in Ungarn oder vergangene in Polen zeigen) oder ob wir unsere Demokratie mit einem feministischen Verständnis füllen und ausbauen, wie Nationalratspräsidentin, Doris Bures und SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner betonten.

Der fürsorgliche Wohlfahrtsstaat

Die Politikwissenschafterin Ayşe Dursun plädierte in ihrer Keynote für eine feministische Demokratie, die eine fürsorgliche Praxis pflegt, und für Frauensolidarität als einen möglichen Weg dorthin. Sie untermauerte ihre These mit aktuellen Zahlen aus dem Pflegebereich: 92% der 24-Stunden-Betreuer:innen sind weiblich und 98% der Pflegerinnen kommen aus Ost- und Mitteleuropa.

„Das Patriarchat überlässt die härteste Arbeit den Prekärsten von uns.“

Ayşe Dursun, Politikwissenschafterin Universität Wien

Zur Care-Arbeit gehört auch die Kinderbetreuung. Der Ausbau der Kindergärten und deren öffentliche Finanzierung (70% der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen) geht auf eine kollektive Kraftanstrengung der Frauen in den letzten 100, aber vor allem den letzten 50 Jahren zurück und ist ein Mosaikstein zur Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen.

„Muttergehalt“ und das Private

Das Gegenteil verfolgen rechtskonservative Gruppierungen, so Dursun. Derzeit werde erneut ein „Muttergehalt“ gefordert und dessen Bezug an die Staatsbürgerschaft geknüpft. Das vermittelte Familienbild (Vater – Mutter – Kind/er) entspreche nicht der Realität, lasse Frauen im Privaten verschwinden und erhöhe das Risiko der Altersarmut für Frauen.

Geschichte verstehen lernen

Dieses Ausverhandeln lässt sich im Bildungsbereich besonders gut beobachten. Historisch gesehen dauerte es bis ins 19. Jahrhundert, bis Universitäten überhaupt für Frauen zugänglich wurden. Die Historikerin Linda Erker zeichnete in ihrer Keynote die Lebenswege von Marie Jahoda, Herta Firnberg und Berta Kalig nach, die dokumentierten, wie wichtig ein langer Atem, kontinuierliches Kämpfen und Engagement sind. Und sie zeigen bei aller Unterschiedlichkeit eine Gemeinsamkeit: Sie alle hatten mit Antifeministen und antifeministischen Anfeindungen zu kämpfen. Den Kampfgeist des letzten Jahrhunderts fasste Erker in einem Zitat zusammen, das auch die Worte der Autorin Jenny Grünblatt aus der Zeitschrift „Das Recht der Frau“, 1896, wiedergibt: 

„Die Frage, ob wir die Emanzipation verdienen, erörtere ich nicht, sie ist für die Überzahl der fortschrittsfreundlichen Männer und Frauen erledigt. Alle Emanzipationsdebatten gipfeln in der Klage darüber, dass wir nicht gleichberechtigt sind und in diesem Streite, ob wir befugt sind, ein gleiches Recht zu verlangen, schaden wir uns. Für das klare Recht brauchen wir nicht erst Gründe herbeizuführen, nein, sonst wird das Recht zur Streitfrage. Eine Haupttugend der Frau, die Bescheidenheit, ist die Achillesferse der Frauenfrage. Wir aber dürfen nicht klagen, wir dürfen nicht herumstreiten, wir müssen verlangen – und was man uns nicht gibt, Schritt für Schritt, aber unaufhaltsam, erobern.“

Jenny Grünblatt, 1896

Die Eröffnungsrede von Andreas Babler sowie politische Kommentare von Evelyn Regner, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, und Renate Anderl, AK-Präsidentin, sind auf Deutsch und Englisch verfügbar.