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Der Einfluss von Lobbygruppen auf den EU Green Deal

Die Policy Study „Taking the temperature of the EU Green Deal“, entstanden im Rahmen des Young Academics Network von Renner-Institut und FEPS, untersucht den Einfluss von Interessensvertretungen und Lobbygruppen auf den EU Green Deal anhand der beiden Politikbereiche Biodiversität und Wasserstoff. Die drei Mit-Autoren Thomas Fröhlich, Hendrik Theine und Timon Forster erklären, was sie dabei herausgefunden haben.

In eurer Studie beschäftigt ihr euch mit dem European Green Deal. Warum habt ihr euch dieses Thema ausgesucht?

Thomas: Der European Green Deal (EGD) ist die zentrale Strategie der Europäischen Union bis wir Net-Zero, also null Treibhausgasemissionen erreicht haben. Der EGD umfasst allerlei Politikfelder und Lebensbereiche – alle Europäer:innen sind in einer Form davon betroffen. Man hört unglaublich viele unterschiedliche Interpretationen und Einschätzungen. Da war es sehr spannend, sich tiefer mit dem Thema zu beschäftigen und sich selbst ein Bild zu machen.

Euer Fokus liegt auf dem Einfluss von Interessensvertretungen und Lobbygruppen. Wie kommt man zu Informationen über die Arbeit dieser Gruppen?

Hendrik: Das spannende an Interessensvertretungen und Lobbygruppen ist, dass deren Arbeit gleichzeitig sehr transparent und verschlossen ist. Viele dieser Organisationen sagen zum Beispiel auf ihrer Website recht offen und eindeutig, was ihre Position zu bestimmten Themen und Entwicklungen ist. Gleichzeitig wissen wir oft nur sehr wenig darüber, wie genau Interessensvertretungen und Lobbygruppen Einfluss nehmen und welchen Erfolg sie dabei haben.

Timon: Ja, genau. Gerade weil die Arbeit dieser Organisationen oft im Verborgenen stattfindet, haben wir uns nur mit einem bestimmten Teilaspekt beschäftigt, nämlich mit der Frage, mit welchen Kommissar:innen sich Lobbygruppen im Rahmen des European Green Deal häufig treffen; solche Treffen legt die EU-Kommission seit 2014 offen. Unsere Entscheidung hatte auch praktische Gründe: So konnten wir sicherstellen, dass unser Projekt machbar ist.

Thomas: Gleichzeitig haben Lobbyist:innen vielfältige Instrumente, ihren – oftmals legitimen – Interessen Gehör zu verschaffen, wie beispielsweise Beratungsgremien. Hier ist es wichtig, Transparenzstandards zu schaffen, die mit dem „legislativen Fußabdruck” an anderer Stelle schon Gang und Gäbe sind. Insbesondere für den Wasserstoffbereich haben wir diesen Umstand in unserer Studie problematisiert.

Die beiden Themenfelder, die ihr untersucht habt, sind erstens die Biodiversitäts-Strategie und zweitens die Wasserstoff-Strategie der EU. Was wären die wichtigsten Dinge, die in diesen beiden Bereichen getan werden müssten?

Timon: Bei der Biodiversitäts-Strategie geht es im Kern darum, die biologische Vielfalt zu erhalten und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme zu verbessern bzw. zu schützen. In diesem Bereich wurden in der Vergangenheit einige Strategien auf europäischer Ebene ausgearbeitet – passiert ist allerdings relativ wenig. Getan werden muss viel. Zwei Beispiele: strikter Schutz der Wälder in der EU und das effektive Verbot von illegalen Praktiken, die dazu führen, dass Meere überfischt werden.

Thomas: Die Wasserstoff-Strategie soll europaweit dafür sorgen, dass in Bereichen, wo aktuell immer noch fossile Energien eingesetzt werden, in Zukunft Wasserstoff als primäre Energie eingesetzt wird. Die Europäische Kommission erkennt damit an, dass es in einigen Bereichen sehr schwierig ist, von der fossilen Energie wegzukommen. Beispiel dafür sind die Stahlproduktion oder der Transportsektor. Die Wasserstoff-Strategie soll Wasserstoff als neue Energiequelle etablieren und diese Bereiche damit klimafit machen. Das klingt gut, ist allerdings ein riesiges Unterfangen, da die Geschwindigkeit, mit der diese Technologie Europaweit ausgerollt werden muss, wirklich atemberaubend hoch sein muss, um die Klimaziele zu erreichen. Zudem stellt sich die Frage, ob wir als Gesellschaft die aktuelle Entwicklung zu einer dezentralen Energieversorgung bevorzugen oder mit Wasserstoff wieder zurück zu zentralisierten Großversorgern gehen wollen.

Hendrik: Beide Themenfelder sind nur ein Ausschnitt des gesamten European Green Deal! Hinzu kommen noch viele weitere Politikfelder, wie Ernährung, Mobilität, Industriepolitik und und und ...

Was habt ihr durch eure Analysen herausgefunden? Wessen Interessen folgt der European Green Deal?

Hendrik: Das ist, wie oben schon angedeutet, wirklich schwer festzustellen. Was wir zeigen können ist, dass der European Green Deal ein sehr beliebtes Thema bei Lobbyakteur:innen ist. Überspitzt gesagt: Alle reißen sich um ein Treffen mit den relevanten Kommissar:innen, um ihre Perspektive auf den European Green Deal darlegen zu können.

Timon: Wir haben uns diese Lobbytreffen genauer angeschaut und stellen fest, dass sich – was den European Green Deal als Ganzes betrifft – unternehmensnahe Interessensvertretungen viel öfter mit der europäischen Kommission treffen als NGOs, Forschungseinrichtungen, staatliche Akteure oder Gewerkschaften.

Hendrik: Wobei es eben auch Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Strategien des European Green Deal gibt. Am Beispiel der beiden Strategien, die wir ausgewählt haben, die Biodiversitäts-Strategie und die Wasserstoff-Strategie, lässt sich dies gut zeigen. Bei der Biodiversitäts-Strategie fanden Lobby-Treffen recht oft mit NGOs statt; die anderen Akteur:innen waren auch vertreten, aber NGOs waren insgesamt in der Mehrheit. Bei der Wasserstoff-Strategie war das Bild ein ganz anderes: Hier haben unternehmensnahe Akteur:innen einen sehr großen Teil der Lobby-Treffen für sich beansprucht. Andere Akteur:innen nahmen schon auch Treffen wahr, aber eben in wesentlich geringerem Ausmaß.

Thomas: Vor allem beim Thema Wasserstoff wird deutlich, dass der gesellschaftliche Grundkonflikt nicht zwangsläufig zwischen Arbeiter:innenschaft bzw. Zivilgesellschaft und Kapital verlaufen muss, sondern gelegentlich auch die Kapitalseite spalten kann. Das sollte progressiven Kräften Hoffnung geben.

Wie habt ihr die Zusammenarbeit innerhalb des Young Academics Network erlebt?

Hendrik: Die Zusammenarbeit in unserem Team war trotz Corona-Hochphasen und diversen Lockdowns wirklich sehr gut. Wir haben uns bis zum heutigen Tag noch nie alle gemeinsam physisch getroffen. Trotzdem haben wir es als Gruppe geschafft, die unterschiedlichen Bedürfnisse, Interessen, zeitlichen Ressourcen und Wünsche zu berücksichtigen und zusammen zu bringen.

Timon: Ich fand besonders die unterschiedlichen Perspektiven bereichernd. Wir alle haben theoretisch verschiedene Hintergründe, benutzen unterschiedliche Methoden, oder sind schlichtweg mit anderen wissenschaftlichen Literaturen vertraut. Hier die Schnittstelle zu finden war spannend und auch anspruchsvoll, aber wir waren ja auch nicht auf uns allein gestellt – FEPS YAN haben uns da super unterstützt.

Thomas: Unser Team war wirklich erstklassig, interdisziplinär und pan-europäisch. Neben uns drei hatten wir eine Kollegin aus Dänemark und einen Kollegen aus Frankreich. Es ist wirklich Zeit, dass wir uns endlich mal persönlich zusammensetzen und auf unser Projekt anstoßen können.

Zu den Personen

Timon Forster promoviert im Bereich Internationale Beziehungen an der Berlin Graduate School for Global and Transregional Studies, Freie Universität Berlin. Zu seinen Forschungsinteressen gehören internationale Politische Ökonomie, die sozio-ökonomischen Folgen von Wirtschaftsreformen sowie globale Gesundheitspolitik.

Thomas Froehlich ist Research Fellow am King's College London, wo er zu Geopolitik und Klimawandel forscht. Sein aktuelles Forschungsprojekt untersucht den Zusammenhang von Extraktivismus und regionaler Integration in Lateinamerika. Vor seinem Wechsel in die Forschung hat Thomas als Politikberater gearbeitet und unterstützt auch weiterhin progressive politische Initiativen. Vor kurzem ist sein Buch zu Brasiliens Ethanoldiplomatie erschienen.

Hendrik Theine ist wissenschaftlicher Mitarbeiter (post-doc) am Department Volkswirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien. In seiner Forschung und Lehre befasst er sich mit Themen und Problemstellung an der Schnittstelle von Medien, Ungleichheit und der Klimakrise. Er ist im Organisations-Team des Netzwerks kritische Kommunikationswissenschaft, im Vorstand der BEIGEWUM (Beirat für gesellschafts-, wirtschafts-, umweltpolitische Alternativen) sowie Mit-Herausgeber des Buchs „Klimasoziale Politik“.