Krieg in der Ukraine – ein sozialdemokratischer Blick
Am 14. März waren zahlreiche Expert:innen aus Wissenschaft und Politik aus dem In- und Ausland am Karl-Renner-Institut, um über die russische Invasion in der Ukraine, die Handlungsoptionen der EU sowie ihre mittel- und langfristige Strategie gegenüber Russland und der gesamten östlichen Nachbarschaft zu diskutieren. Die Beratungen fanden auf Einladung des Karl-Renner-Instituts, der Foundation for European Progressive Studies und weiterer sozialdemokratischer Akademien und Stiftungen in Europa statt.
Bewertung der bisherigen EU-Reaktion auf Russlands Angriff
Anwesend bzw. zugeschaltet zu den nicht-öffentlichen Beratungen waren auch Vertreter:innen der ukrainischen SD Platform, die eindrücklich die Lage in ihrem Land schilderten. Die anderen Teilnehmer:innen zeigten sich mit der Ukraine solidarisch und verurteilten Russlands Angriff scharf. Auf dieser Grundlage wurde zunächst diskutiert, ob die bisherige Reaktion der EU und des Westens allgemein auf Russlands Aggression ausreichend und zielführend war. Vielfach wurden die beispiellose Entschlossenheit und Einheit der EU hervorgehoben. Während vor allem osteuropäische Expert:innen tendenziell für eine noch härtere Gangart inklusive einer militärischen Option plädierten, warnten andere Teilnehmer:innen vor einer unbeherrschbaren Ausweitung des Krieges auf weitere Teile Europas. Einig waren sich die Expert:innen, dass rasch ein Waffenstillstand in der Ukraine erreicht werden muss. Auch der Kontakt zur Putin-kritischen Zivilgesellschaft in Russland muss aufrechterhalten werden.
Künftige Strategie gegenüber Russland und der östlichen Nachbarschaft
Die Frage, wie sich die EU künftig aufstellen muss und welche Strategie gegenüber Putins Russland sowie den anderen ost- und südosteuropäischen Staaten einnehmen soll, war ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen. Unter den Expert:innen herrschte weitgehende Einigkeit, dass die EU ihre sicherheits- und verteidigungspolitische Dimension weiterentwickeln soll. Die Beziehungen gegenüber Russland würden, sofern in Moskau kein entscheidender Richtungswechsel vorgenommen werde, auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gestört bleiben. Einige Teilnehmer:innen plädierten für eine entschlossene schrittweise Heranführung der beitrittswilligen Staaten am Westbalkan und in Osteuropa an die EU, um sie wirtschaftlich und sozial zu fördern und ihre Anbindung an den Westen sicherzustellen.
Wie eine Eskalation verhindern?
Bei der öffentlichen Podiumsdiskussion am Abend mit dem Titel „War in Ukraine – Consequences for the EU's Eastern Policy“ wurden die oben genannten Fragen in verdichteter Form besprochen. Während Agnieszka Bryc (Universität Warschau) die Solidarität der polnischen Bevölkerung mit der Ukraine in den Vordergrund stellte, hielt Reinhard Krumm (Friedrich-Ebert-Stiftung Baltische Staaten) ein Plädoyer dafür, einen unkontrollierbaren Krieg in Europa auf jeden Fall zu verhindern. Hannes Swoboda (Präsident des International Institute for Peace) strich hervor, dass Russland unter Putin faschistische Züge aufweise. Die EU habe sich zu Recht auf Seite der Ukraine gestellt und könne daher nicht gleichzeitig als Vermittlerin auftreten, solle aber die Vermittlungsbemühungen anderer Staaten wie Israel oder der Türkei unterstützen.
Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft
Štefan Füle gab Einsichten in seine Zeit als EU-Erweiterungskommissar. Man brauche, so Füle, ein institutionelles Vehikel, das es möglich mache, mit jenen Ländern in der EU-Nachbarschaft, die eine EU-Mitgliedschaft anstreben, schon jetzt verstärkt zusammenzuarbeiten. Er hielt darüber hinaus fest, dass die Nachbarschaftspolitik mit den Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, Republik Moldau und Georgien nie gegen Russland gerichtet gewesen sei.
Die neue Weltordnung
Agnieszka Bryc betonte, dass es nun um Abschreckung Russlands gehe und die EU bedingungslos für eine Weltordnung eintreten müsse, die auf Demokratie, Menschenrechten und Freiheit beruht. Reinhard Krumm plädierte für die Aufrechterhaltung von Kontakten zu Moskau, sieht aber derzeit keinerlei Möglichkeit für eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur mit Russland. Gefragt nach den Lehren, die die EU aus dem Krieg in der Ukraine im Bereich der äußeren Sicherheit ziehen müsse, sprach sich Hannes Swoboda für eine EU-Verteidigungsunion, aber gegen ein Militärbündnis aus.
Introduction
László Andor,
Secretary General, Foundation for European Progressive Studies (FEPS)
Discussants
Agnieszka Bryc,
Assistant professor at the Faculty of Political Science Nicolaus Copernicus University, Warsaw
Štefan Füle,
Former European Commissioner for Enlargement and European Neighbourhood Policy, Czech Republic
Reinhard Krumm,
Director of Friedrich-Ebert-Foundation Baltic States
Hannes Swoboda,
President of the International Institute for Peace, Vienna; former MEP
Moderation
Maria Maltschnig,
Director of the Karl-Renner-Institut