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Portraitiert: Halliki Kreinin beforscht gewerkschaftliche Klimapolitik

Die Umweltökonomin Halliki Kreinin interessiert sich für nachhaltige Arbeitsmodelle, sieht sich als Teil der Gewerkschaftsbewegung, und ist besonders stolz auf das Klima-Sonett, das sie in ihrer Jugend gedichtet hat. Sie ist Universitätsassistentin am Institute for Ecological Economics der Wirtschaftsuniversität Wien und arbeitet dort an ihrer Dissertation. Außerdem ist sie Teil des Young Academics Network vom Karl-Renner-Institut und der Foundation for European Progressive Studies.

Am meisten interessiert sich Halliki Kreinin für die Widersprüche zwischen gewerkschaftlichen Interessen und Klimapolitik: Gewerkschaften brauchen Produktivitätswachstum, es stärkt ihre Forderungen nach Lohnerhöhung in Verhandlungen mit Unternehmensvertreter_innen. Jahrzehntelang galt Wachstum in der gesamten Gesellschaft recht unwidersprochen als wünschenswert – aber plötzlich ist es aus ökologischer Sicht problematisch: Es bringt erhöhten Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen mit sich, wie jüngst wieder eine umfassende Studie gezeigt hat. Wenn nun aber Gewerkschaften ihrem Glauben an Wirtschaftswachstum, idealerweise „Grünes Wachstum“, eine Absage erteilen, würde das für Gewerkschaften bedeuten, ihre ohnehin schwierige Position – Stichwort Wirtschaftskrise, Neoliberalismus – weiter zu schwächen.

Diese Widersprüche stehen im Zentrum von Hallikis Dissertation. Das Ziel ist dabei nicht, die Widersprüche aufzulösen, wie sie betont: „Diese Widersprüche wird es immer geben – aber es hilft, sich ihrer bewusst zu sein.“

Schlüsselbegriffe in Hallikis Forschungsarbeit

  • Arbeitszeitverkürzung: „Es gibt eine win-win Maßnahme, und zwar Arbeitszeitverkürzung.” Arbeitszeitverkürzung sorgt für mehr Verteilungsgerechtigkeit, verringert Klimaschädlichkeit, schafft Zeit für Sorgearbeit und ehrenamtliches Engagement.
  • Foundational Economy: Manche Wirtschaftsbereiche bilden die Grundlage für ein gutes Leben, wie während des Corona-Lockdowns so deutlich sichtbar wurde. Foundational Economy steht im  Gegensatz z.B. zu „bullshit jobs“ (David Graeber).
  • Solidarische Lebensweise: Gegenmodell zu imperialer Lebensweise (Ulrich Brand & Markus Wissen). Eine Lebensweise, die eben nicht auf der Ausbeutung der Natur und des Globalen Südens basiert.
  • Sustainable Work: Wie können wir ausbrechen aus dem Zyklus von Arbeit und Konsum und aus dem dominanten Arbeitsethos? Der Sustainable-Work-Ansatz folgt einem breiten Arbeitsbegriff und umfasst Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, ehrenamtliches Engagement und Selbstentwicklung.

Warum interessiert sich Halliki so für diese Themen? Für klimapolitische Anliegen konnte sie sich schon immer begeistern – nur hat sie dazu wenig Resonanz in der Gewerkschaft erfahren. 2015, nach Abschluss ihres ersten Master-Studiums, arbeitete sie an der Newcastle University und wurde Mitglied der Gewerkschaft UNISON. Ihr Beitritt zur Gewerkschaft hatte mehrere Gründe: Erstens eine frühe Politisierung durch die Beobachtung der krassen Effekte von Ungleichheit, Armut und Abwertung. In ihrer Jugend wohnte Halliki in Glasgow (Schottland), bekannt unter anderem für den „Glasgow effect“: In dieser Stadt, die noch immer unter den Folgen der Thatcher-Politik leidet, findet man die niedrigste Lebenserwartung in Westeuropa. Zweitens hat sie aufgrund ihrer eigenen Biographie das Bedürfnis, sich an den Orten wo sie lebt eine eigene Community zu bilden, Teil einer Bewegung zu sein: Als Tochter einer alleinerziehenden Akademikerin wohnte sie in ihrer Kindheit und Jugend nur ein paar Jahres an einem Ort und zog von Estland nach Ungarn und weiter nach Schottland.

Nach Wien brachte sie schließlich vor fünf Jahren das Master-Studium Socio-Ecological Economics and Policy an der WU – ein damals neues und einzigartiges Studium in Europa, das Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenführt. Der Plan war eigentlich: „Den Master abschließen und dann zurück nach Schottland gehen, das Klima-Thema in die Gewerkschaft einbringen und eine soziale Revolution starten.“ Aber sie ist geblieben und hat die Gelegenheit bekommen, an der WU tiefer in ihre Forschungsinteressen einzutauchen, sowie im Rahmen der Vienna Degrowth Society die Degrowth Konferenz im Frühling 2020 mitzuorganisieren.

Was progressive politische Bewegungen ihrer Ansicht nach durchsetzen sollten? Erstens: Arbeitszeitverkürzung. Zweitens: eine bessere Verteilung von Wohlstand. Und drittens: eine Vorstellung vom Guten Leben, die von Konsum losgelöst ist: „Wir leben nicht mehr in den 1970ern, wir haben jetzt andere, neue Probleme. Und wir brauchen neue Lösungen.“

Steckbrief

  • Name: Halliki Kreinin
  • Wissenschafts-Idole: Stefania Barca, Sigrid Stagl, Julia Steinberger, Juliet Schor - allesamt Wissenschafterinnen, die sozial-ökologische Themen beforschen.
  • Politisches Idol: Cori Bush (US-Politikerin)
  • Bewegendster politischer Moment der letzten Jahre: Hier fallen mir drei traurige Momente der britischen Politik ein: Die Wahl 2019, als Labour mit Jeremy Corbyn verloren hat. Die Brexit-Abstimmung. Das verlorene Unabhängigkeits-Referendum in Schottland.
  • Meine Forschung in einem Hashtag: #transformation
  • Darauf bin ich besonders Stolz: Als ich mit 18 Jahren mit meinem "Climate Change Summit Sonnet" einen schottlandweiten Poetry-Wettbewerb gewonnen habe.
  • Wissen bedeutet für mich: Grautöne und Komplexitäten verstehen. Wissen muss außerdem von der Absicht geleitet sein, die Welt zu verbessern.
  • Lieblingszitat: "Carry yourself with the confidence of an mediocre white male." Dieses Zitat hing an meiner Wand und gab mir Motivation, während ich meine Master-Arbeit geschrieben habe."