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Portraitiert: Laura Hundscheid beforscht den Umstieg vom Schnitzel zur Bohne

Die Umweltwissenschafterin Laura Hundscheid ist Teil des österreichischen Forschungsnetzwerks zu den UN-Nachhaltigkeitszielen – einem beeindruckenden Koordinationsaufwand der Wissenschaft für gesellschaftliche Veränderung. Sie bearbeitet dort das Ziel „Kein Hunger“. Hier lest ihr, was das genau bedeutet und warum es auch für Österreich ein wichtiges Thema ist.

Die Kurzform des UN-Nachhaltigkeitszieles Nummer 2 – „Kein Hunger“ – klingt erst einmal so, als würde dieses Thema vor allem den Globalen Süden betreffen. Dieses Ziel ist eines der 17 Sustainable Development Goals (SDGs), die seit 2015 den Orientierungsrahmen für die Arbeit der UNO abstecken. Ein spannender Aspekt dieser SDGs ist nun, dass sie auch die reichen Länder in den Blick nehmen. Für das SDG 2 bedeutet das: „Zum einen geht es um Mitverantwortung: Wie werden unsere Lebensmittel produziert, wo werden sie produziert, welche negativen Effekte – ökologische und soziale – versursacht das? Und zum anderen: Was heißt denn eigentlich Hunger? Fehlernährung, Über- und Untergewicht: Das sind ja auch riesige Themen bei uns“, erklärt Laura.

Wie genau sollen die SDGs in und durch Österreich umgesetzt werden? Im Rahmen des UniNEtZ-Projekts, eines Netzwerks fast aller Universitäten in Österreich, arbeiten seit zweieinhalb Jahren etwa 400 Wissenschafter:innen daran, genau diese Frage zu beantworten. Im Dezember wird der Optionenbericht präsentiert. Er ist das Ergebnis dieser intensiven transdisziplinären Forschung und beschreibt – aufbauend auf einer sorgfältigen Bestandsaufnahme und unter Berücksichtigung von Synergien und Wechselwirkungen – für jedes SDG konkrete Handlungsoptionen und erwartbare Wirkungen dieser Handlungen. Dann kann jedenfalls niemand mehr behaupten, dass wir nicht ganz genau wissen, was wir tun können, um für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit zu sorgen.

Eine der 400 Wissenschafter:innen des UniNEtZ ist Laura. Sie arbeitet an der Wiener Universität für Bodenkultur am Institut für Entwicklungsforschung, wo sie auch ihre Doktorarbeit schreibt.

Schlüsselbegriffe in Lauras Forschungsarbeit

  • Protein Transition: Das ist der Kernbegriff in Lauras Forschung. Er beschreibt den Wandel weg von hauptsächlich tierisch basierten Proteinquellen, hin zu pflanzlichen und nachhaltigen Proteinquellen. Konkret bedeutet das im österreichischen Kontext: Weniger Fleisch, Eier und Milchprodukte, mehr Bohnen und Linsen sowie Fisch aus nachhaltigen Quellen.
  • Transformative Wissenschaft: Das UniNEtZ ist ein Beispiel für diese Art von Wissenschaft: Das Ziel ist, das Wissen, das man erarbeitet, in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und einen Beitrag zur Veränderung zu leisten. Ein wichtiges Element dabei ist die Einbeziehung von Stakeholdern – sowohl in der Erarbeitung des Forschungsprogramms, als auch in der Vermittlung der Forschungsergebnisse.
  • Minderungspotenzial: Dieser Begriff beschreibt im Kontext von Klimaforschung, in welchem Ausmaß man durch verschiedene Maßnahmen Treibhausgase reduzieren kann. „Du kannst sagen: ‚Wir verbrauchen so-und-so-viele Ressourcen durch unseren Ernährungsstil, und das-und-das haben wir alles schon zerstört.‘ Oder du sagst: ‚Wenn wir statt 5x pro Woche nur 1x pro Woche Fleisch essen, können wir so-und-so-viele Treibhausgase reduzieren, Biodiversität fördern und so weiter.‘ Das erste ist lähmend, das zweite wirkt motivierend und kann Menschen zu Veränderung bewegen.“

Laura kommt ursprünglich aus dem Forschungsbereich der Gewässer-Ökologie; für ihren Master hat sie in Burkina Faso das sozial-ökologische Potenzial der Aquakultur untersucht, also deren Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung und Geschlechtergerechtigkeit. Schrittweise bewegte sie sich mit diesem Forschungsinteresse weg von einem rein naturwissenschaftlichen Fokus hin zu immer stärker sozialwissenschaftlich geprägten Fragestellungen. Was sie dabei motiviert, ist nicht nur der Erkenntnisgewinn, sondern vor allem die politische Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Beitrag zu gesellschaftlicher Veränderung.

In ihrer Doktorarbeit untersucht sie, was geschehen muss, um gesellschaftliche Einstellungen zu Nahrungsmitteln zu verändern, um wegzukommen von der kulturellen Bedeutung von Fleisch als Symbol für Wohlstand, Gesundheit und Kraft. Die Fakten alleine reichen nämlich nicht: Dass die Produktion von tierischen Nahrungsmitteln für einen bis zu 30 Mal höheren Ausstoß von Treibhausgasen sorgt als die Produktion pflanzlicher Nahrung und der Flächenverbrauch 6 Mal so hoch ist, dass der Konsum von Tierprodukten zu einem erhöhten Risiko bei den meistverbreiteten Krankheiten in der westlichen Welt sorgt, sowie weitere Zahlen und Fakten zu Wasserverbrauch, Umweltverschmutzung, Biodiversität, Tierleid… All diese Daten verändern noch gar nichts. Sondern um die öffentliche Meinung zu drehen, braucht es soziale Bewegungen wie Fridays for Future, Berichte internationaler politischer Schwergewichte wie der Weltgesundheitsorganisation, sowie das öffentliche Engagement von Celebrities, die genau das immer und immer wieder zum Thema machen.

Dass das durchaus etwas bewirkt, beobachtet Laura in ihrer Analyse der österreichischen Printmedien der letzten 20 Jahre: „In den letzten 2, 3 Jahren wird schon immer mehr darüber gesprochen.“ Und wichtig ist auch, dass es ein immer größeres Angebot im Lebensmittelhandel gibt – obwohl gerade Fleisch- und Milchersatzprodukte immer noch häufig überteuert sind: „Mittlerweile könnte man vegetarische und vegane Produkte sicher auch günstiger anbieten und damit mehr Menschen zugänglich machen. Aber damit lässt sich halt auch gut Geld machen.“ Welche politischen Hebel müssten getätigt werden? Jene Hebel, die die Geldflüsse steuern: Am wichtigsten und wirkungsvollsten wäre erstens eine Veränderung bei den Förderungen im Rahmen der EU-Agrarpolitik, und zweitens eine öko-soziale Steuerreform.

Steckbrief

  • Name: Laura Hundscheid
  • Universität und Institut: Universität für Bodenkultur Wien, Institut für Entwicklungsforschung
  • Mein Wissenschafts-Idol: Meeresökologin Sylvia Earle – sie ist eine Pionierin meeresökologischer Forschung, Aktivistin für den Schutz und die Diversität der Meere, und das auch noch im Alter von über 80 Jahren.
  • Mein politisches Idol: Hier fallen mir vor allem Aktivist:innen ein, etwa Vandana Shiva. Mit dem Begriff des Ökofeminismus beleuchtet sie den Zusammenhang zwischen patriarchaler Gesellschaft und Umweltzerstörung.
  • Mein bewegendster politischer Moment der letzten Jahre: Die Black Lives Matter Bewegung, inklusive der Verurteilung des Mörders von George Floyd. Diese Bewegung rückte die ständigen Verbrechen, die schon länger geschehen, endlich stärker in die Öffentlichkeit und eröffnete damit auch die Chance auf Veränderung
  • Meine Forschung in einem Hashtag: #proteintransition
  • Darauf bin ich besonders stolz: Wenn ich mir beim Musik-Machen etwas Neues beigebracht habe – erst kürzlich ein Lied der Musikerin Zaz mit Gesang und Ukulele.
  • Wissen bedeutet für mich: Die Grundlage und das Vehikel zur Veränderung. Nur wenn man die Zusammenhänge kennt, weiß man, wo man ansetzen kann, um etwas zu verändern.
  • Lieblingszitat: „Die wichtigste Entscheidung, die wir treffen, ist, ob wir glauben, in einem freundlichen oder feindlichen Universum zu leben.“ – Albert Einstein