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Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nordmazedonien

Rechtsruck gefährdet EU-Beitrittsperspektive

Am 8. Mai waren die Bürger:innen Nordmazedoniens aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt sowie ein neues Parlament zu wählen. Bei der Stichwahl um das höchste Amt im Staat setzte sich die Herausfordererin, Gordana Siljanovska-Davkova, von der rechtsnationalistischen VMRO-DPMNE mit 69 % gegen den sozialdemokratischen Amtsinhaber Stevo Pendarovski durch. Auch bei den Parlamentswahlen errang die VMRO-DPMNE einen klaren Sieg und schrammte nur knapp an der absoluten Mandatsmehrheit vorbei. Die bis vor kurzem regierenden Sozialdemokrat:innen – ab Jänner war wie gesetzlich vorgesehen eine Übergangsregierung im Amt – erlitten mit etwa 15 % eine empfindliche Niederlage.

Mit dem Rechtsruck steht der EU-Beitritt auf noch tönernen Füßen als bisher. Die rechtsnationalistischen Kräfte lehnen nämlich jene Verfassungsänderungen klar ab, die eine Anerkennung der bulgarischen Minderheit mit sich brächten und von Bulgarien und der EU als Bedingung für die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen formuliert wurden.

Einschätzungen von Expert:innen

Wenige Tage vor den Wahlen organisierten wir gemeinsam mit dem Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) und der Politischen Akademie der ÖVP eine Podiumsdiskussion, um den Wahlkampf, die Lage im Land, den möglichen Wahlausgang und die Perspektiven für die Regierungsbildung zu analysieren. Melanie Jaindl fasste in ihrem Briefing zu Beginn die wichtigsten Fakten zusammen. Danach kamen die Expert:innen Kristijan Fidanovski (Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche), Lura Pollozhani (Universität Graz) und Stefani Spirovska (Westminster Foundation for Democracy) zu Wort.

Briefing von Melanie Jaindl 

Die Ursachen für den Rechtsruck

Aus welchen Gründen wurden die Sozialdemokratische Liga Mazedoniens (SDSM) und die von ihnen angeführte Wahlallianz „Für eine europäische Zukunft“ an der Spitze derart abgestraft? Laut Kristijan Fidanovski seien die Wähler:innen, vor allem die Wechselwähler:innen, von der SDSM unter ihrem Parteichef und ehemaligen Ministerpräsidenten Dimitar Kovačevski enttäuscht gewesen. Er führte hier die Sackgasse in den EU-Beitrittsverhandlungen und den Streit mit Bulgarien über die von Sofia verlangten Verfassungsänderungen an. Lura Pollozhani ergänzte, dass die Regierung Kovačevski im Kampf gegen die Teuerung und die vielfachen Krisen zu wenig geliefert habe und auch im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung ihre Versprechen gebrochen habe. Gerade die SDSM und die Demokratische Union für Integration – die größte politische Partei der albanischen Minderheit – seien in den letzten Jahren besonders von Korruptionsfällen betroffen gewesen. Im Gefängnis sei aber nur die ehemalige Sonderstaatsanwältin Vilma Ruskovska gelandet. Die Expert:innen waren sich einig, dass die Wählerschaft auch von der EU und ihrer Position im Streit mit Bulgarien enttäuscht sei. Die Europaskepsis sei daher gestiegen, so Stefani Spirovska.

Die Erwartungen an eine rechtsnationalistische Regierung

Ebenfalls im Zentrum der Diskussion stand die Frage, welche Politik von einer Regierung zu erwarten sei, die von der VMRO-DPMNE angeführt werden dürfte. Kristijan Fidanovski stellte fest, dass sich die Partei vom ehemaligen Parteichef und Ministerpräsidenten Nikola Gruevski, der 2018 vor strafrechtlicher Verfolgung nach Ungarn geflüchtet war, kaum emanzipiert und sich nicht gewandelt habe. Aufgrund des nationalistischen Charakters der Partei könnten laut Lura Pollzhani die Beziehungen zwischen den Volksgruppen – Mazedonier:innen und Albaner:innen – auf politischer Ebene spannungsreicher werden. Außenpolitisch werde eine VMRO-DPMNE-geführte Regierung das Prespa-Abkommen nicht aufkündigen, aber weiter gegen die von Bulgarien verlangten Verfassungsänderungen mobil machen. Sie könnte jedoch, so Kristijan Fidanovski, das Terrain für einen Kompromiss vorbereiten.

Frauen und Jugendliche in der nordmazedonischen Politik marginalisiert

Die Rolle von Frauen und Jugendlichen in der Politik sowie die Frage der Vertretung ihrer Anliegen stand im Zentrum der Ausführungen Stefani Spirovskas. Trotz der – zum Zeitpunkt der Diskussion noch nicht gesicherten – Wahl Gordana Siljanovska-Davkovas meinte Spirovska, dass Frauen in der nordmazedonischen Politik nur allzu oft „Dekoration“ seien und nur eine geringe Rolle spielten. Jugendliche und deren Interessen würden trotz eines 2018 verabschiedeten Gesetzes zur aktiven Teilhabe im politischen Alltag kaum berücksichtigt. Zudem würden auf den Wahllisten nur wenig junge Kandidat:innen vorkommen. Dementsprechend seien besonders die Jugendlichen mit den politischen Institutionen unzufrieden.

Welcome Address

Sebastian Schäffer
Director, Institute for the Danube Region and Central Europe (IDM)

Panel Discussion

Kristijan Fidanovski
Doctoral Candidate at the University of Oxford and Economist at the Vienna Institute for International Economic Studies (WIIW)

Lura Pollozhani
Researcher at the Centre for Southeast European Studies/University of Graz and Member of the IDM International Council

Stefani Spirovska
Programme Manager at Westminster Foundation for Democracy

Moderation

Melanie Jaindl
Research Associate, Institute for the Danube Region and Central Europe (IDM)

Die Diskussion fand in Kooperation mit dem Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) und der Politischen Akademie der ÖVP statt.