Warum töten Männer Frauen und welche Maßnahmen braucht es, um Femizide zu verhindern?
Wie wichtig die Thematisierung und eine sensibilisierte Berichterstattung zu Femiziden ist, haben die beiden Journalistinnen und Autorinnen Margeritha Bettoni und Yvonne Widler sehr eindrücklich bei der Online-Lunch-Lecture am Mittwoch, den 23. November aufgezeigt.
In zwei ähnlichen und zugleich unterschiedlich angelegten Publikationen beleuchten sie Femizide und Intimizide. Ein Femizid ist das Töten einer Frau aufgrund ihres Geschlechtes. Widler beschreibt in ihrem Buch sehr anschaulich den Unterschied zu einem klassischen Mord: Bei einem Banküberfall, bei dem die Mitarbeiterin am Schalter erschossen wird, ist das Motiv Geld, das gestohlen werden sollte.
Abgrenzung Femizid und Intimizid
Unter einem Intimizid werden Frauenmorde verstanden, die durch einen Partner oder Ex-Partner verübt werden. Das trifft in Österreich auf weit über 80 % der Frauenmorde zu. Dass Femizide ein globales Problem sind, zeigt die breite Definition von Femizid in der Vienna Declaration on Femicide, die am 26. November 2012 beschlossen wurde. Der Begriff Femizid umfasst auch sogenannte Ehrenmorde oder das Morden von Frauen und Mädchen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Weiblicher Kindsmord oder die Abtreibung weiblicher Föten zählen genauso dazu wie der Mord an indigenen Frauen wegen ihres Geschlechts sowie getötete Frauen, denen der Vorwurf der Hexerei gemacht wurde. Auch Frauen, die an den Folgen einer Genitalverstümmelung sterben, oder Morde, die in Zusammenhang mit organisiertem Verbrechen wie Menschen- und Drogenhandel geschehen, sind hier inkludiert.
Gegen toxische Männlichkeit ankämpfen
Dass Femizide nicht per se verhindert werden können ist klar. Aber die Zahlen zeigen, dass der bestehende Gewaltschutz zu kurz greift. „Jedes Schulkind sollte wissen, was ein Femizid ist“, war eine der Ableitungen im Gespräch. Von klein auf lernen wir so, dass wir Konflikte ohne Gewalt lösen können und Gewalt nicht harmlos ist. Das erfordert eine breite gesellschaftliche Bewusstseinsbildung. Gerade Männer müssen hier in die Verantwortung genommen werden und in ihre Peergruppen wirken. Wie das gut funktioniert und dass es auch gute Beispiele gibt, zeigt die letztjährige November-Kampagne des Sozialministeriums: „Mann spricht’s an #sagwas“. Es geht um einen couragierten Widerspruch, wenn sich toxische Verhaltensweisen – abwertende Kommentare, aufdringliches Verhalten, unerwünschte Berührungen – breit machen.
Vorbild Spanien
Hier sehen Bettoni und Widler auch einen Knackpunkt: Es braucht mehr Geld. Oder besser gesagt: Es braucht mehr Geld in der Prävention. Mehr Geld für Täterarbeit und mehr Geld für Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen. Laut Istanbul-Konvention fehlen in Österreich nach wie vor rund 100 Frauenhausplätze, um die Vorgabe von einem Frauenhausplatz pro 10.000 Einwohner:innen zu erreichen. Dass es auch anders geht, zeigen Länder wie Schottland oder Spanien. Bereits 2004 erließ die sozialistische Regierung unter José Luis Roudrigues Zapatero ein Gesetz gegen häusliche Gewalt und erklärte es zur staatlichen Aufgabe mit klarer Grundhaltung, wie Bettoni und Backes in ihrem Buch schreiben: „Geschlechtsspezifische Gewalt ist kein Problem, das die Privatsphäre betrifft. Im Gegenteil, es manifestiert sich als das brutalste Symbol für die Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Es ist eine Gewalt, die sich gegen Frauen richtet, weil sie Frauen sind, weil sie von ihren Angreifern als rechtlos angesehen werden: ohne Recht auf Freiheit, Recht auf Respekt, Recht auf eigene Entscheidung.“ Seit 2009 gibt es in Spanien ein Überwachungssystem für Täter häuslicher Gewalt, ein elektronisches Armband. Nähert sich der Täter dem Opfer oder gerichtlich festgelegten Sperrzonen (z. B. Schule, Arbeitsplatz der Frau), werden das Opfer und die Polizei alarmiert.
Eine These, die die Diskussion am besten beschreibt: Österreich braucht ein schlaues Gesamtkonzept, um Frauen ein sicheres Leben zu ermöglichen und Männer vom Generalverdacht der toxischen Männlichkeit zu befreien.