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Was wir einander schulden.

Eine Rückschau auf das 9. Barbara-Prammer-Symposium 2023. 

Anknüpfungspunkte für feministische Politik gibt es eine Menge. Das zeigt sich heuer bei den vielen fokussierten und intensiven Diskussionen im Rahmen des 9. Barbara-Prammer-Symposiums. Feministische “Klassiker” wie Lohn- und Pensionsgerechtigkeit sind weiterhin aktuell, nach wie vor brauche es deshalb einen Equal Pay Day und einen Equal Pension Day, wie die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner in ihrer Eröffnungsrede festhält. Gleichzeitig fehlen neue Initiativen und überarbeitete Gesetze, um strukturelle Nachteile für Frauen nachhaltig zu bekämpfen oder auszugleichen. Dass dabei der Sozialstaat ein wesentliches Element für Frauen ist, dass gerade Frauen von einem aktiven und mutigen Staat profitieren, betont gleich zu Beginn die SPÖ-Klub- und Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Denn die Teuerung bei allen lebensnotwendigen Gütern wie Lebensmittel, Wohnraum und Energie trifft jene Gruppen besonders, die wenig Perspektive haben, selbst etwas ändern zu können. Pensionistinnen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, sich gekümmert haben und jetzt darauf hoffen müssen, dass es sich finanziell ausgeht, sind einer vergleichsweise wohlhabenden Gesellschaft nicht würdig.

Sie hätte eine Freude, wenn sie sich das jetzt ansehen könnte.

Doris Bures, bei der Eröffnung des 9. Barbara-Prammer-Symposium

Vermögenssteuern, Neubewertung der Arbeit und soziale Teilhabe

Wie solidarische Sicherungssysteme konkret weiterentwickelt werden können, wurde in Workshops am Nachmittag diskutiert. Eine Frage war die ausreichende Finanzierung des Wohlfahrtsstaates und damit einhergehend die Frage nach Vermögenssteuern. Reflexhaft führt das zur Frage nach persönlicher Betroffenheit. Bedenken, die die ÖGB-Wirtschaftsexpertin Miriam Baghdady schnell ausräumen kann. Sie verweist dazu auf einen simplen Vermögensrechner. Er bietet nicht nur einen guten Überblick zur Vermögensdefinition und -verteilung in Österreich, sondern erlaubt eine schnelle Selbsteinschätzung, was die eigene Vermögenssituation im Vergleich zur restlichen Bevölkerung betrifft.

Doch statt an einer konkreten Form der Vermögensbesteuerung zu arbeiten, wird von Regierungsseite über eine Abschaffung von Grunderwerbssteuer oder Grundbucheintragungsgebühr nachgedacht – den letzten relevanten vermögensbezogenen Steuern, die es im österreichischen Steuersystem noch gibt. Im Ergebnis bedeutet das fehlende Einnahmen für Gemeinden und weniger Spielraum für dringend notwendige öffentliche Dienstleistungen wie beispielsweise den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. Schließlich ist Österreich, was Kinderbetreuungsplätze betrifft, weit entfernt von den europäischen Zielvorgaben von 50 % für Kinder unter drei Jahren bis 2030. Zurzeit liegt die Kinderbetreuungsquote bei nur 29,1%, stellte die Ökonomin Sophie Achleitner in ihrem Referat klar.

Für diese zukunftsgerichteten Investitionen in Kinder- und Altenbetreuung, Bildung und ökologische Nachhaltigkeit braucht es finanzielle Ressourcen. Während Arbeit hoch besteuert ist, gibt es beim Kapital Aufholbedarf. Aktuell erheben laut Baghdady nur 3 Länder in Europa Vermögenssteuern: die Schweiz, Norwegen und Spanien. Fehlende Einnahmen bergen demokratiepolitische Gefahren durch steigende Vermögenskonzentration: Superreiche können die Demokratie aushebeln, damit den sozialen Zusammenhalt gefährden und Ungleichheit weiter verschärfen. 

Analytische Arbeitsbewertung könnte den Gender Pay Gap abschaffen

Veränderungsbedarf wird auch in der Arbeitswelt gesehen. Ökonomin Christine Mayrhuber setzt hier bei der Arbeitsbewertung an. Zwar ist die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit bereits in vielen Verträgen auf EU-Ebene und Gesetzen auf nationaler Ebene verankert, aber der Gender Pay Gap – die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, hochgerechnet auf ein Jahr – schließt sich sehr langsam. Mayrhuber verweist auf eine Studie zu Deutschland, worin die Gründe für die Fortdauer der Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen liegen. Dort werden Berufsgruppen mit unterschiedlichen Tätigkeiten, aber gleichwertigen Anforderungen und Belastungen, verglichen. So zeigt sich, dass Fachkräfte für Datenbanken und Netzwerke einen höheren Stundenlohn erhalten als medizinisch-pharmazeutische Fachkräfte oder sonstige akademische oder verwandte Gesundheitsberufe, wo der Frauenanteil sehr hoch ist. Abhilfe für branchenbezogene Lohnungleichheiten können analytische Verfahren zur Arbeitsbewertung schaffen, da sie sich leicht an die geänderten Herausforderungen der Arbeitswelt anpassen. Klassische Körperkraft rückt in den Hintergrund, soziale, kognitive Kompetenzen gewinnen an Bedeutung. Hier setzen diese Modelle an, die unterschiedliche Tätigkeiten mit gleichen Anforderungen oder Belastungen neu bewerten.

Stärkere Finanzierung des Care-Bereiches

Was es in einem traditionell sehr frauendominierten Bereich, der formellen und informellen Sorgearbeit, braucht, war Thema eines englischsprachigen Workshops. Die Referent:innen haben sich die Verwendung der EU-Corona-Förderungen (österr. Aufbau- und Resilienzplan) und die Verteilung der Sorgearbeit in Österreich genau angesehen. Eine Erkenntnis ist, dass in Beschäftigungsgruppen wie im Bereich der Reinigung, Pflege, Kinderbetreuung, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen massive Auswirkungen auf soziale Absicherung und Lebensqualität haben. Auch sind es hohe Anteile unter den Pflege- und Reinigungskräften, die mangels Staatsbürgerschaft von demokratischer und damit teilweise auch von sozialer Teilhabe ausgeschlossen sind, wie die Expertin von SORA, Martina Zandonella, in ihrem Workshop betont. Eine Demokratie ist dann stark, wenn die Menschen, die in ihr leben, die Möglichkeit haben, mitzugestalten, mitzuentscheiden, wie ihr Leben und das Zusammenleben aussehen soll. Wenn allerdings im unteren Einkommensdrittel bereits mehr als 40 % nicht wählen dürfen oder nicht mehr zur Wahl gehen, dann braucht es umfassende politische Initiativen, um diesen Trend umzukehren.

Ein Ausblick

Vermögensverteilung, Arbeitsbewertung und Teilhabe – klassische frauenpolitische Forderungen wurden beim heurigen Barbara-Prammer-Symposium vor dem Hintergrund aktueller Daten und Entwicklungen neu eingeordnet. Für Feminist:innen bleibt viel zu tun, weshalb es umso erfreulicher ist, dass viele Teilnehmer:innen das Barbara-Prammer-Symposium als Quelle für Motivation und Inspiration für das eigene Engagement empfinden. Und wie schon die Präsidentin des Karl-Renner-Instituts, Doris Bures, bei der Eröffnung meinte: „Sie hätte eine Freude, wenn sie sich das jetzt ansehen könnte.“

Die gesammelten Videos sind in einer eigenen Youtube-Playlist abrufbar.

Weitere Impressionen sind auf Flickr zu finden.

Zum Symposium

Zum Gedenken an Barbara Prammer veranstalten das Karl-Renner-Institut, die SPÖ-Bundesfrauen, der SPÖ-Parlamentsklub und die Foundation for European Progressive Studies rund um den Geburtstag der ehemaligen Nationalratspräsidentin und Frauenvorsitzenden ein jährliches „Barbara-Prammer-Symposium“. Barbara Prammer setzte sich zeitlebens mit großer Leidenschaft und Kraft für Demokratie und Gleichberechtigung ein. Dieses Anliegen wird mit dem jährlichen Barbara-Prammer-Symposium weitergetragen.

Projektleitung

Barbara Hofmann

Mag.a Barbara Hofmann

Bereichsleitung Gleichstellungspolitik, Nachwuchsförderung und Online-Akademie