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Frauen in den Februarkämpfen 1934

Das Ende einer Männerlegende

Florian Wenninger, Leiter des Instituts für historische Sozialforschung
Wien:  2017
7 Seiten

Eine Analyse auf Basis der Kooperation des Karl-Renner-Instituts mit dem Verein zur Erforschung der Repressionsmaßnahmen des österreichischen Regimes 1933-1938 zum Zwecke der Dokumentation der zivilen Opfer des 12. Februar 1934 mit dem Fokus auf Frauen.

 

Einleitendes

Demnächst müsse er wieder nach Graz, schrieb Theodor Körner im Februar 1932 an Otto Bauer und Julius Deutsch „zu einer ‚Frauenversammlung‘ von der ich mich nicht drücken konnte. Die Frauen wollen hören, was sie bei einem Putsch für Heldentaten verrichten können. Ich werde ihnen Aufgaben geben, wie ich sie für richtig erachte, wobei ich selbstverständlich jedes Zusammengehen der beiderseitigen Geschlechter im Schutzbund bei der normalen Tätigkeit für absolut unrichtig halte.“ Vor 1934 war Körner einer der wichtigsten Militärfachleute der Sozialdemokratie gewesen. Der von ihm beklagte weibliche Tatendrang wirft die Frage auf wie es denn kommt, dass zwar stets von einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft in der Ersten Republik berichtet wird, im weiteren aber ausschließlich von Männern die Rede ist? Wo waren die Frauen in all dem?

In der Geschichtsschreibung der Februarkämpfe tritt dieser Aspekt besonders hervor: Der Tag des Kampfes, das war „When you send your wife and children down to the cellar to be out of the way of shells” wie es in der „Ode to the Austrian Socialists (February 12th – February 15th 1934)“ heißt, die der Pulitzer-Preisträger Stephen Vincent Benét 1936 in den USA veröffentlichte. Benét war freilich kein Augenzeuge der Vorgänge in Österreich gewesen, er kannte die hiesige Situation nur vom Hörensagen und übertrug daher nicht zuletzt seine Vorstellungen von Krieg und Gewalt auf das ferne Geschehen. Wie später auch den meisten der (überwiegend: männlichen) HistorikerInnen erschienen auch Benét die handelnden Akteure lediglich Männer zu sein, während Frauen schreckensbleich Deckung zu suchen hatten. Mit der Realität eines Bürgerkrieges hatte das wenig zu tun.

Frauen auf beiden Seiten des politischen Spektrums

In den Militärverbänden beider politischer Lager waren – später kaum beachtet – auch Frauen aktiv. Die Heimwehren verfügten neben ihren militärischen Formationen über einen ansehnlichen zivilen Apparat. Und innerhalb desselben existierten in mehreren Bundesländern hoch erfolgreiche „Frauenhilfsgruppen“, die sich um die Jugendarbeit, Geselligkeitsveranstaltungen und Spendensammlungen kümmerten. In der Steiermark, wo entsprechende Vorhaben am weitesten gediehen, existierten 1932 stattliche 114 Frauenorganisationen. Zur Gründung eines bundesweiten Dachverbandes kam es jedoch nie, offenbar um den Einfluss von Frauen auf die Ebene der Länder zu beschränken. Auch ansonsten blieben Frauen in den rechten Organisationen auf Sphären beschränkt, die sich mit herkömmlichen Geschlechterrollen noch einigermaßen in Einklang bringen ließen. Für die Februarkämpfe gibt es auf Seiten des Regimes denn auch praktisch keine Hinweise auf die Involvierung von Frauen.

Der Republikanische Schutzbund – ein bloßer Männerverein?

Vier Jahrzehnte nach den Februarkämpfen ärgerte sich die ehemalige RS-Aktivistin und spätere SPÖ-Nationalrätin Maria Emhart in einem Brief: „Als voriges Jahr […] eine Dokumentation im Fernsehen gemacht wurde, da hat der Fernsehmann […] gefragt: Waren Sie Mitglied des Schutzbundes? So wenig wissen diese Herren über uns. Ich konnte nur sagen, daß es keine Frauen im Schutzbund gab […].“ Doch Emhart irrte. Oder, präziser: sie erinnerte sich nur selektiv. Denn in den ersten Jahren nach seiner Gründung war der Republikanische Schutzbund keineswegs eine bloße Parteiarmee gewesen. Die Schutzbundgruppen innerhalb der sozialdemokratischen Bezirksorganisationen waren im Gegenteil durch eine rege politische Debatte gekennzeichnet. Sie fungierten gerade in Wien oft als Auffangbecken für ehemalige Aktivisten der Rätebewegung, ein weit links stehendes, oft auch stark militarisiertes Milieu. Bis 1926 hatte die Mitgliedschaft dennoch SozialdemokratInnen beiderlei Geschlechts offen gestanden. Frauen nahmen an Schutzbund-Aufmärschen teil und gehörten dem Verband jedenfalls als Sanitäterinnen auch formell an. Erst mit der Überführung des Schutzbundes in den ASKÖ wurde 1926 statutarisch verfügt, dass die „ausübende Mitgliedschaft“ nunmehr ausschließlich Männern offen stehen sollte. Allerdings wurde später in den Jugendorganisationen der Wehrsport eingeführt und 1930 innerhalb der SAJ auch eine eigene paramilitärische Organisation geschaffen, die im Ernstfall als Einsatzreserve den Schutzbund verstärken sollte: die Wehrsportjugend. Innerhalb derselben existierten eigene Mädchensportriegen, die allerdings keine militärische Ausbildung im engeren Sinne betrieben. Ob sie lediglich der jugendlichen Militanz von Frauen ein Betätigungsfeld verschaffen sollten, oder ihnen im Fall konkrete Aufgaben zugedacht waren ist bis dato ungeklärt. Auch der Schutzbund hatte überdies 1926 eine Zivilorganisation ins Leben gerufen, die es innerhalb von zwei Jahren auf knapp 100.000 Mitglieder brachte, darunter viele Frauen, die auf diese Weise – wie auch durch Spenden für den Unterstützungfonds des Schutzbundes – gewissermaßen zu fördernden Mitgliedern der Miliz wurden. In die operative Tätigkeit des Schutzbundes waren Frauen im Rahmen des organisationseigenen Nachrichtendienstes eingebunden, mehrfach außerdem in die Waffenproduktion.

Mit der straffen Reorganisation des Verbandes nach dem Justizpalastbrand 1927 setzte der Schutzbund auf ein Einsatzszenario, das rein militärisch von Beginn an unrealistisch war: auf das Ziel, zu einer regulären „Gegenarmee“ zu werden. Man übte die Feldschlacht klassischen Typs, veranstaltete geradezu megalomane Manöver und trainierte sogar den Hochgebirgskrieg. Theodor Körner wandte dagegen zu Recht ein, dass ein allfälliger Bürgerkrieg nicht im Tullnerfeld geschlagen werden würde, sondern in Wien. Innerhalb der Schutzbundführung setzte sich Körner damit jedoch nicht durch. Ausgerechnet die Vorbereitungen für den Kampf im dichtverbauten Gebiet blieben lückenhaft, ja geradezu dilettantisch. Das verdeutlicht nicht zuletzt ein geschlechtersensibler Blick: Die unweigerlich als eine der ersten auftauchende Frage, wie mit der Zivilbevölkerung und als deren Teil besonders auch mit Frauen umzugehen wäre, beantworteten die Planer des Schutzbundes nämlich faktisch nicht. Einzig Theodor Körner wies ausdrücklich darauf hin, dass Frauen im Fall einer militärischen Auseinandersetzung unverzichtbarer Teil der gemeinsamen Kraftanstrengung sein mussten. Nur, wenn „Frauen kochendes Wasser aus den Fenstern auf die Truppen schütten und Kinder Trambahnschienen aufreißen […] Nur, wenn alle in der Arbeiterschaft schlummernden Kräfte frei gemacht werden und den reaktionären militärischen Aktionen etwas ganz anderes, Verblüffendes, nicht ganz Verständliches gegenübertritt, dann kann man auf den Sieg der Arbeiterklasse […] rechnen“, so Körner, konkretisierte diesen Gedanken aber nicht weiter.

Die Februarkämpfe

Die sozialdemokratische Publizistik hat weiblichen Protagonistinnen nach dem Februar 1934 zwei Rollen zugewiesen: die bereits erwähnte des leidenden Opfers im austrofaschistischen Artilleriefeuer und jene der stolzen Witwe gefallener Schutzbündler, deren unbeugsame, würdevolle Trauer dem Kampf im Nachhinein Sinn verlieh. In Wirklichkeit lassen sich für alle größeren Kampfschauplätze auf Seiten der Aufständischen Frauen ausmachen, die aktiv ins Geschehen eingriffen. Mehr noch: ohne sie wäre der Aufstand vermutlich schon früher zusammen-, mancherorts auch gar nicht erst ausgebrochen.

Die Auseinandersetzungen trafen den Schutzbund selbst unter Maßgabe der vorangehenden Planungsmängel geschwächt und schlecht vorbereitet. Gleichwohl kam der Beginn der Kampfhandlungen nicht überraschend. Die berühmt-berüchtigte Ankündigung des Wiener Heimwehrführers Emil Feys, man werde nun „an die Arbeit gehen und ganze Arbeit leisten“, sprach in diesem Zusammenhang nur das Offensichtliche aus: die Errichtung der Diktatur stand unmittelbar vor dem Abschluss.

Die verbliebenen Kommandeure des Schutzbundes, meist niedrige Dienstgrade, waren unschlüssig, was nun zu tun sei. Neben allgemeiner Demoralisierung war das auch eine Folge verfehlter Planung: man hatte jahrelang strikt auf der Einhaltung von Befehlsketten bestanden, hatte „proletarische Disziplin“ zur obersten Pflicht jedes Schutzbündlers erklärt und eigenmächtiges Vorgehen strikt untersagt. Als nun aber die Kommandeure infolge ihrer Verhaftung keine Anweisungen mehr erteilen konnten, blieb der Rest der Organisation planlos zurück. In dieses Vakuum stießen an mehreren Orten überraschend Frauen. So im oberösterreichischen Steyr, wo die Polizei bereits im Jänner 1934 in Erfahrung gebracht hatte, eine Frau habe innerhalb des Schutzbundes das Zepter des Handelns an sich gezogen. Die Generalstochter Erna Schwitzer habe eine geheime Versammlung der Schutzbundführer einberufen und geleitet, in der das Vorgehen im Ernstfall festgelegt worden sei. Ähnliches wiederholte sich nach Beginn der Kämpfe.

Erst Stunden nachdem am 12. Februar in Linz die ersten Schüsse gefallen waren, gab die Parteiführung inmitten des um sich greifenden Chaos das bundesweite Signal zum Aufstand. Viele sozialdemokratische AktivistInnen schwankten in dieser Situation zwischen Mutlosigkeit, Hoffnung und Trotz. Dies umso mehr, als rasch klar wurde, dass die wichtigste Voraussetzung für einen Erfolg des Schutzbundes nicht gegeben war: Der ausgerufene Generalstreik wurde nicht eingehalten, insbesondere die Eisenbahn verkehrte weiterhin. Die Regierung konnte damit ungehindert Truppen und Material verschieben, während die Aufständischen in ihren Hochburgen fest saßen und rasch voneinander abgeschnitten wurden. In dieser Situation waren es mehrfach Frauen, die versuchten, schwankende Genossen zu aktivieren.

Ein prominentes Beispiel hierfür waren jene Szenen, die sich in St. Pölten zutrugen. Der dortige Schutzbund war passiv geblieben, was wiederum die kämpfenden Wiener schwer traf, da die Regierung über die Weststrecke problemlos Nachschub heranführen konnte. Die Wiener entsandten daraufhin einen Kurier, der die niederösterreichischen Genossen dazu bringen sollte loszuschlagen. Der betreffende Mann, Franz Rauscher, war bereits bei seiner Ankunft mit den Nerven am Ende. Viel Anlass zum Optimismus gab es angesichts der Situation, die er vorfand, auch tatsächlich nicht. Die beiden wichtigsten Kommandeure des St. Pöltner Schutzbundes waren unauffindbar. Die verbliebenen Führer machten ihrerseits keine Anstalten, auf eigene Faust vorzugehen. Damit wollte sich vor allem eine weibliche Parteifunktionärin nicht abfinden. Während Rauscher in ihrer Wohnung saß und weinte, handelte Maria Emhart kurz entschlossen. Sie ließ Frauen in Kinderwägen Waffen zu den Sammelplätzen des Schutzbunds schaffen und veranlasste eine Besprechung der verbliebenen Schutzbundführer, um diese dazu zu bringen, ihre Männer zu mobilisieren. Von Emhart auf diese Weise erfolgreich in Zugzwang gebracht, erklärte ihr der Ranghöchste unter den Anwesenden schließlich wutschnaubend, „wenn es schief geht, erschieße ich zuerst Sie dann mich.“ Von diesem Vorhaben ließ er zwar ab, nach seiner Festnahme belastete er sie jedoch schwer.

In den unmittelbaren Vorbereitungen der Kämpfe waren Frauen auch dort beteiligt, wo die Mobilisierung einigermaßen gelang. Sie gaben Waffen aus, stopften MG-Gurte und arbeiteten mit bei der Befestigung provisorischer Stellungen: „Keine Ahnung hab ich gehabt, wie man eine Barrikade baut. […] Im Hof, da war ein Spielplatz, und von dort haben wir die Bänke und die Koloniakübel weggenommen und rausgeschleppt. Abgeschirmt war das Eck Andreas-Huger-Gasse und Meissnergasse, weil es hat geheißen, dass von der Wagramerstraße her die Heimwehr kommt. Und um uns und die Männer und das Haus zu schützen haben wir – zehn Frauen und ein Mann – die Barrikade gebaut.“

Polizei, Heimwehren und Exekutive sperrten Kampfschauplätze rasch großräumig ab. An den Straßensperren erregten Frauen weit weniger Verdacht als Männer, Aktivistinnen der SAJ[i], des ASKÖ[ii] und der Partei fungierten daher während der gesamten Dauer der Kämpfe als Kundschafterinnen und Kurierinnen.

Von einer generell besseren Behandlung von Frauen seitens der Regierungstruppen konnte freilich keine Rede sein. Exekutive, Bundesheer und Heimwehren nahmen an mehreren Orten zivile Geiseln, um die Aufständischen zur Kapitulation zu zwingen. Bei den Kämpfen um die Floridsdorfer Remise trieben die Regierungstruppen Frauen aus dem nahen Schlingerhof als menschliche Schutzschilde in zwei Reihen vor sich her, als sie das Gebäude stürmten, woraufhin sich die Verteidiger kampflos zurückzogen.

Es konnte nicht verwundern, wenn unter der Zivilbevölkerung angesichts des massiven Gewalteinsatzes und der offenkundigen Bereitschaft der Regierungstruppen, zivile Opfer in Kauf zu nehmen, Panik ausgebrochen wäre. Dennoch finden sich wenige derartige Beispiele und das war nach übereinstimmenden Berichten oft auf den Einsatz von Frauen zurückzuführen, die verängstigten Menschen Mut zusprachen und bei der Evakuierung gefährdeter Gebäudekomplexe halfen. 

Schlussendlich griffen Frauen auch mit der Waffe in das Kampfgeschehen ein. Belegt ist das mehrfach, für Oberösterreich und vor allem für Wien, etwa für den Fuchsenfeldhof in Meidling oder den Karl-Marx Hof in Döbling. Die Regimepresse meldete überdies, nach der Kapitulation des Quellenhofes sei festgestellt worden, „daß sich auch Frauen und Kinder […] an dem Kampfe beteiligten und aus Fenstern und hinter Türen hervor auf die Exekutive schossen.“

Je länger die Kämpfe dauerten, desto wichtiger war die Versorgung mit Essbarem, warmer Kleidung und Munition. Wo dies nicht funktionierte, gaben die Aufständischen rasch auf. An praktisch allen Kampfschauplätzen war der Nachschub vor allem Frauensache.

Die Zahl der weiblichen Opfer der Kämpfe ist unbekannt, die Bundesregierung ging im März von 21 getöteten und 79 verletzten Frauen aus. Vor allem die Zahl der Verletzten dürfte jedoch deutlich höher gelegen haben, da die Betroffenen nach Möglichkeit Spitäler mieden, weil bekannt war, dass die Polizei dort nach verletzten Kampfteilnehmern suchte.

Angesichts der drohenden Verfolgung durch die austrofaschistische Justiz war für die Aufständischen die unmittelbare Gefahr für Leib und Leben mit dem Ende der Kämpfe noch nicht gebannt. Wollten sich die geschlagenen Schutzbündler diesem Risiko nicht aussetzen, gab es nur zwei Optionen: vorerst unterzutauchen – oder ins Ausland zu fliehen. In beiden Fällen waren Frauen beteiligt, die Menschen Unterschlupf boten, für Angehörige von Gefallenen und Gefangenen sammelten oder – in den grenznahen Gebieten – Flüchtigen sichere Übergänge ins Ausland wiesen.

Resümee

Dass vielerorts Frauen am Februaraufstand beteiligt waren, steht außer Zweifel. In die Geschichte ging dies wohl aus mehreren Gründen nicht ein. Aus Rücksicht auf die bestürzten internationalen Reaktionen war das austrofaschistische Regime bestrebt, das Ausmaß der Kämpfe möglichst herunter zu spielen. Frauen, die den Aufstand unterstützt oder gar selbst mitkämpften hatten, wären hierbei wenig hilfreich gewesen, sondern hätten vielmehr den Eindruck eines Volksaufstandes verstärkt. Die Sozialdemokratie war wiederum bemüht, den Schutzbund auch nach seiner Niederlage als möglichst professionelles Militär in Szene zu setzen. Frauen in vorderster Linie schienen dem zuwiderzulaufen und blieben deshalb auch hier möglichst ausgespart. Die breite Mehrheit der später verfassten geschichtswissenschaftlichen Arbeiten, überwiegend verfasst von Männern, folgten diesen Erzählungen kritiklos.

Abseits der Geschichtsschreibung ist es vor allem eine zweite Frage, die sich aufdrängt. Weshalb hatte der Schutzbund Frauen nicht in seine militärischen Planungen einbezogen, obwohl doch zumindest die Führungsebene wissen musste, wie sehr man im Ernstfall auf deren Unterstützung angewiesen sein würde? Warum verzichtete man sehenden Auges auf ein so enormes Potential? Im Grunde gibt es darauf nur zwei plausible Antworten. Die eine: Aufgrund ihrer maskulinistischen Sozialisation waren die handelnden Männer allenfalls – wie Körner – theoretisch in der Lage, die Bedeutung von Frauen zu erkennen, jedoch nicht gewillt, daraus auch praktische Konsequenzen zu ziehen. Eine andere Hypothese bezöge sich auf die längerfristige Strategie des Schutzbundes. Dessen Führung war sich bewusst, dass man es wohl mit den Heimwehren würde aufnehmen können, nicht aber mit der Staatsmacht. Als sich nach dem Juli 1927 mehr und mehr abzeichnete, dass Bundesheer und Exekutive im Konfrontationsfall auf der Seite der Rechten eingreifen würden, verlangten etwa Karl Renner oder auch Karl Kautsky die einseitige Abrüstung des Schutzbundes. Die dominante Führungsgruppe um Otto Bauer und Julius Deutsch entschied sich jedoch dagegen. Das ist ihnen oft als Verkennung der Tatsachen ausgelegt worden. Vielleicht verfolgten sie aber auch einfach nur einen anderen Zweck. Die Tatsache nämlich, dass man eben nicht alle Möglichkeiten ausschöpfte und etwa die Einbeziehung von Frauen unterließ, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Beibehaltung des Schutzbundes weniger einem äußeren, als vielmehr einem inneren Ziel dienen sollte. Die Parteimiliz sollte eine Drohkulisse bilden, um vor allem die eigene Anhängerschaft in Sicherheit zu wiegen, ihr Kraft und Zuversicht zu vermitteln. Zugleich sollte sie ein Ventil für radikalisierte männliche Anhänger bilden, die sich andernfalls womöglich von der Sozialdemokratie abgewandt hätten. Unter diesem Gesichtspunkt würde die Nichtberücksichtigung von Frauen dann auch Sinn machen: Der Ernstfall, in dem sie gebraucht worden wären, sollte nicht eintreten und bis dahin waren sie schlicht nicht Zielgruppe dieses Theaters der Männlichkeit.

[i] Sozialistische ArbeiterInnen-Jugend

[ii] Arbeitsgemeinschaft für Sport und Körperkultur in Österreich 

Weiterführende Links

Das Internetportal zur Geschichte der sozialdemokratischen Frauenbewegung in Österreich, zusammengestellt von Angelika Zach (Karl-Renner-Institut).

Weitere Hintergrundinformationen und Folgen der Februarkämpfe zusammengestellt vom Marie Jahoda - Otto Bauer Institut und herausgegeben von der Gesellschaft für Kulturpolitik.

Geschichte der Sozialdemokratie eine Seite der SPÖ und des Karl-Renner-Instituts.

Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie eine Seite der SPÖ Wien.

Karl-Renner-Chronik eine Seite des Dr. Karl Renner-Museums für Zeitgeschichte.