Am 1. Mai 2024 jährte sich der EU-Beitritt von acht mittel- und osteuropäischen Ländern (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn) zum zwanzigsten Mal. Dieses Politik aktuell zeichnet die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Mittel- und Osteuropas in den letzten 20 Jahren nach und analysiert den Stellenwert dieser Region in der EU heute.
Wirtschaftlicher Aufholprozess mit Rückschlägen
Nach dem epochalen Umbruch von 1989 erlebte die Wirtschaft in Mittel- und Osteuropa zunächst einen tiefen Absturz, gekoppelt mit einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Ungleichheit. Nach der harten Radikalkur nahm das Wachstum schnell wieder zu. Wegen der Finanzmarktkrise kam der Aufholprozess 2008 für mehrere Jahre ins Stocken und nahm erst 2014 wieder spürbar Fahrt auf. Die Corona-Pandemie und der Angriff Russlands auf die Ukraine und seine Folgen erschütterten die Wirtschaft in Mittel- und Osteuropa erneut schwer. Dennoch hat die Osterweiterung ökonomische Konvergenz und politische Einbindung in die EU-Strukturen ermöglicht.
Polarisierung der Gesellschaften
Wesentlich schlechter ist es um den sozialen Aufholprozess und die innergesellschaftliche Entwicklung bestellt. Es kam zu einer Polarisierung in den Gesellschaften, zum Teil gelangten national-konservative und populistische Kräfte an die Macht, wie zum Beispiel die PiS in Polen oder Viktor Orbáns Fidesz in Ungarn.
Mittel- und Osteuropas Stellenwert heute
Der Stellenwert der Region innerhalb der EU wuchs mit Russlands Krieg gegen die Ukraine. Der Großteil der mittel- und osteuropäischen Länder gehört zu den entschiedensten Unterstützern der Ukraine. Nicht zuletzt aufgrund der Fehleinschätzungen des Westens und der Ignoranz gegenüber skeptischen Stimmen aus Mittel- und Osteuropa begegnen sich Alt- und Neumitglieder nun auf Augenhöhe. Daher sind die mittel- und osteuropäischen Länder 20 Jahre nach ihrem Beitritt tatsächlich in der EU angekommen, die heute eine ganz andere ist als jene, der sie seinerzeit beitreten wollten.
Die Autoren
Michael Dauderstädt war von 1980 bis 2013 Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Zu seinen Funktionen gehörten die Leitung des Referats Internationale Politikanalyse und die Leitung der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Uwe Optenhögel ist Vize-Präsident der Foundation for European Progressive Studies (FEPS) in Brüssel und war langjähriger Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, u.a. als Leiter des Mittel- und Osteuropareferates und als Internationaler Direktor.