Bruno-Kreisky-Preis 2023: Haupt- und Anerkennungspreis
Ein Standardwerk und eine Streitschrift
Am 27. Juni 2024 wurden der Haupt- und der Anerkennungspreis verliehen. Der deutsche Politikwissenschafter Herfried Münkler wurde mit dem Hautpreis für sein Buch „Welt in Aufruhr“ (Rowohlt Berlin) ausgezeichnet. Für ihre Streitschrift „Links ist nicht woke“ (Hanser Berlin) erhielt die amerikanische Philosophin Susan Neiman den Anerkennungspreis.
In Zeiten des Umbruchs globaler Machtstrukturen und der Umformatierung vieler Lebensbereiche gilt es, mögliche Zukunftsszenarien abzuwägen und Begriffe zu klären. Beides erfolgte bei unserer Bruno-Kreisky-Preisverleihung. Herfried Münkler widmete sich der möglichen Welt in Aufruhr und Susan Neiman dem Verhältnis von „links“ und „woke“.
Sollen Regelbrecher die Spielregeln bestimmen?
Herfried Münklers Buch beschreibt den „Sturz in eine neue Weltordnung“. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist das schmerzlich sichtbar geworden. Selbstverständlichkeiten und Gewohnheiten der globalen Verhältnisse haben an Bedeutung verloren. Ein neues System regionaler Einflusszonen, das von fünf Großmächten dominiert wird, beschreibt er als mögliches Szenario in seinem Werk. Auf der demokratischen Seite sieht er die USA und Europa. Das autoritäre Gegenüber seien Russland und China. Die Rolle als „Zünglein an der Waage“ schreibt Münkler Indien zu. Alle diese Mächte werden schwierige Ordnungsaufgaben übernehmen müssen, um in der eigenen Einflusssphäre für Stabilität sorgen zu können und in einer prekären Welt voller Risken eine völlige Eskalation zu vermeiden. Das Buch spannt einen weiten Bogen in der Geistesgeschichte auf, um große Bruchlinien der Gegenwart fassbar zu machen. Es ist ein wichtiger Beitrag dazu, neue Friedensordnungen zu entwickeln, die den unterschiedlichsten Konflikten einer Welt in Aufruhr standhalten.
Universalismus versus Partikularismus? Oder doch sowohl-als-auch?
Susan Neiman argumentiert in ihrem Buch überzeugend, dass die ursprünglichen Ideale der Linken – Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität – nicht mit der oft identitätspolitisch geprägten "Wokeness" gleichgesetzt werden dürfen. Eine übermäßige Konzentration auf Identität und Differenz kann die notwendigen Kämpfe gegen ökonomische Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit in den Hintergrund drängen. Ein konstitutives Element der politischen Linken, aber auch des Feminismus, ist die Hoffnung auf Fortschritt. Liegt die Zukunft der Linken weiterhin in ihrem Kampf dafür, dass Rechte für alle Menschen gleichermaßen gelten sollen und sozioökonomische Verhältnisse kritisiert werden müssen? Oder soll sie vor allem kulturell um höhere Anerkennung und um Stärkung gesellschaftlichen Einflusses spezifischer benachteiligter Gruppen kämpfen? Ihre Schrift gibt den Leser:innen ein Werkzeug an die Hand, um einen konstruktiven Dialog zu führen und einer viel zu oberflächlichen Entweder-oder-Debatte zu entkommen. Neiman inspiriert uns dazu, die Werte der Aufklärung kritisch zu revitalisieren und für eine Politik, die auf Integrität, Empathie und dem Streben nach sozialer Gerechtigkeit basiert, zu nutzen.
Beide Preisreden sind großartige Lernprovokationen für rezente politische Debatten – wie es der Tradition des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch entspricht.
Wir danken für die Kooperation und Unterstützung: Echo Medienhaus – GewerkschafterInnen in der SPÖ – Sozialdemokratische GewerkschafterInnen in der AK Wien – Gewista – PUBA Privatstiftung zur Unterstützung und Bildung von ArbeitnehmerInnen – Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband Österreich – Wiener Städtische Versicherungsverein