Das Ende der Steuervermeidung?
Wie vielversprechend sind die aktuellen Vorhaben von OECD und G-20 rund um einen globalen Mindeststeuersatz? Vor einem halben Jahr publizierten wir hier ein Gespräch zwischen Konstantin Wacker (Universität Groningen, Niederlande) und Evelyn Regner (Mitglied des Europäischen Parlaments), in dem sie Mechanismen der Steuervermeidung beschrieben und diskutierten, mit welchen politischen Maßnahmen man dem entgegensteuern kann. Wir haben nochmal bei Konstantin Wacker nachgefragt, wie er die aktuellen Entwicklungen bewertet.
"Ich denke, da liegt der Teufel im Detail."
Was ist gut am aktuellen Beschluss der G-20?
Wacker: Es gibt nun erstmals eine gemeinsame Grundlage zur Konzernbesteuerung, die wesentliche Eckpunkte abdeckt. Das sorgt für vereinheitlichte Spielregeln und faireren Wettbewerb zwischen Unternehmen einerseits und zwischen Nationalstaaten andererseits.
Wo gibt es noch Lücken und Änderungsbedarf?
Wacker: Ich denke, da liegt der Teufel im Detail. Viele Aspekte hinsichtlich Bemessungsgrundlage und Anrechenbarkeit von Steuern in anderen Ländern müssen ja noch ausverhandelt werden. Da muss man schauen, dass keine Schlupflöcher entstehen. Auch die Länder des Globalen Südens profitieren von dieser Regelung nicht, weil vor allem die Steuerbehörden jener Länder Durchgriffsrechte bekommen, in denen die Konzernmütter angesiedelt sind: Die können dann auf un(ter)besteuerte Gewinne von Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern zugreifen. Für Entwicklungsländer ist das wenig relevant, weil dort nicht so viele Konzernmütter sitzen. Das sollte man sich noch mal gesondert ansehen.
Im Gespräch mit Evelyn Regner hast du deine Skepsis gegenüber dem damaligen OECD-Vorstoß geäußert: Ein globaler Mindeststeuersatz sei zahnlos, solange es keine Regelungen dazu gibt, welche Steuern wo anfallen. Die G-20 haben nun Regelungen zur fairen Verteilung der Steuereinnahmen beschlossen: Es sollen dort Steuern gezahlt werden, wo die Unternehmen ihr Geld verdienen. Ist mit dieser Ergänzung deine Skepsis beseitigt?
Wacker: Ja, das hat sich dank Dominik Bernhofer etwas aufgeklärt, der auch einen guten Beitrag dazu geschrieben hat. Laut aktuellem OECD-Vorschlag kann nämlich die Steuerbehörde eines teilnehmenden Landes auf Gewinnverlagerungen, wie sie etwa durch Lizenzen passieren, zugreifen („undertaxed payments rule“). Es kann auch das Land, in dem der Mutterkonzern sitzt, Gewinne von Tochtergesellschaften besteuern, die in anderen Ländern unterhalb des effektiven Mindeststeuersatzes besteuert wurden („income inclusion rule“). Implizit ist das eine Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage.
Zur Person
Konstantin Wacker ist Assistenzprofessor für Volkswirtschaft an der Universität Groningen (Niederlande). Er forscht zu multinationalen Unternehmen, makroökonomischen Entwicklungsfragen und Exportqualität. Zuvor arbeitete er u.a. für die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und die Europäische Zentralbank. Für seine Arbeiten erhielt er 2020 den Kurt-Rothschild-Preis für Wirtschaftspublizistik und ein Klaus-Liebscher-Scholarship der Oesterreichischen Nationalbank.