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FemLetter Nr. 1/2022

Der feministische Newsletter des Karl-Renner-Instituts
Barbara Hofmann (Verf.) / Karl-Renner-Institut (Hg.innen)
Wien: 2022

Einleitung

Der Jahresbeginn hat turbulent gestartet. Krieg und Frieden und alles was damit einhergeht, bestimmen – wieder – unser Leben. Die Corona-Pandemie rückt in den Hintergrund, ist aber nach wie vor präsent. In diesen fordernden Zeiten erweisen sich die Grundwerte der Sozialdemokratie als gute Anker- und Orientierungspunkte. Es braucht Solidarität und Sicherheit. Die Ukrainer:innen müssen unterstützt werden, wir bieten eine Unterkunft, sammeln Lebensmittel, Medikamente oder Hygieneprodukte oder spenden Geld an die Volkshilfe oder Kinderfreunde oder andere Initiativen. Doch schon nagt der Gedanke im Hinterkopf, wie lange es dauern wird, bis diese Hilfsbereitschaft wieder von einschlägigen Gruppen kritisiert, ja torpediert werden wird. Wie lange dauert es noch, bis wieder unterschieden wird, wer Flüchtling ist und wem wir unsere Solidarität zukommen lassen und wem eben nicht. Im aktuellen FemLetter ist Russland aber auch jenseits des Ukraine-Konflikts, nämlich als Geldgeber für die Anti-Gender-Bewegung von zweifelhafter Bedeutung. Und wir widmen uns der Frage, wie inklusiv wir den Care-Begriff verstehen und was es braucht, um die steigende Zahl an Femiziden einzugrenzen.

Zu guter Letzt ein herzliches Adieu an Martina Fürpass, die eine tolle Arbeit als Karenzvertretung geleistet hat und der wir alles Gute wünschen für ihre neue Tätigkeit!

Wir sind gefordert, wir tun unser Bestes. Bleibt gesund und solidarisch!

Barbara Hofmann

Nachlesen

Spannende Veranstaltungen zum Nachlesen finden sich in dieser Rubrik, mit Verweisen zu Videos, Fotos, Folien sowie Texten zu den Impulsen.

„8. Barbara-Prammer-Symposium“ (Mo., 18. Jänner 2022)

Heuer wurden schon mehr Femizide begangen als noch vor einem Jahr zu dieser Zeit. Alle Täter kommen aus dem Umfeld der Frauen, es sind die (Ex-)Partner, Familienmitglieder oder Personen mit einem Naheverhältnis. Die Exekutivsekretärin der Istanbul-Konvention Johanna Nelles stellte in ihrer Keynote sehr anschaulich die Forderungen des unabhängigen Expert:innenorgans zum Monitoring der Istanbul-Konvention dar: finanzielle Mittel müssen aufgestockt werden, Angebote für marginalisierte Gruppen von Frauen müssen ausgebaut werden.

„Klassenreise - Wie die soziale Herkunft unser Leben prägt“ (Mo., 28. Februar 2022)

Anhand von elf Biographien haben die Journalistin Brigitte Theißl und die Erwachsenenbildnerin Betina Aumair eindrücklich dargestellt, wie schwer der soziale Aufstieg sein kann, wie ungleich Chancen verteilt sind und was das für das persönliche Fortkommen bedeutet. Was heißt es, in einer Zwischenwelt zu leben? Was macht das Gefühl des nicht-dazuzugehören mit einer Person, eine Entfremdung von der Herkunftsfamilie zu erfahren? Die Interviewten beschrieben Gefühle der Trauer und des Verlusts. Gleichzeitig passt es aber auch in der neuen Welt nicht so richtig. Die fehlende Leichtigkeit, das fehlende Wissen über informelle Strukturen oder Gepflogenheiten. Es gibt gute Einblicke in das Leben am nicht vorbestimmten Platz.

„Die Spitze des Eisbergs. Religiös-extremistische Geldgeber gegen Menschenrechte auf Sexualität und reproduktive Gesundheit“ (Mi., 16. Februar 2022)

Eine Premiere feierte die Diskussionsreihe „femmes globales“. Die Nationalratsabgeordnete Petra Bayr und Neil Datta, Sekretär des Europäischen Parlamentarischen Forums für sexuelle und reproduktive Rechte, präsentierten die erste deutschsprachige Ausgabe eines Berichtes zu Finanzflüssen der Anti-Gender-Bewegung. Diese transnationale Analyse wirft ein Licht auf eine zentrale Säule dieser Bewegung. Wer sind die Geldgeber der immerwährenden Anti-Abtreibungskampagnen und Anti-LGBTQI-Kampagnen? Im Detail wird aufgelistet, wer diese 120 Organisationen sind und wie 54 dieser Organisationen über zehn Jahre zu ihrem Geld kommen. Die Summen sind unvorstellbar: mind. 707,2 Millionen Dollar hat die Bewegung lukriert. Der größte Anteil mit 437,7 Millionen Dollar kommt aus der Europäischen Union, dahinter kommt Russland mit einem Anteil von 26,6 % und 188,2 Millionen Dollar. Dort kann das Geld zurückverfolgt werden zu zwei konservativen Oligarchen und deren Machtnetzwerken. In Österreich ist Kardinal Schönborn in diesen Netzwerken ebenso aktiv wie die VP-Politikerin Gudrun Kugler, der Mitbegründerin von Agenda Europe. Auch europäische Eliten, „das oberste Prozent“, unterstützten tatkräftig den Aufstieg von Anti-Gender-Bewegungen. Details finden sich zur Familie Turnauer, die Agenda Europe unterstützt und als FPÖ-Spender auftrat und zur Familie von Habsburg-Lothrigen. Von vorne bis hinten eine spannende und sehr gehaltvolle Lektüre. Bekannte Marken mit Verbindungen zur Anti-Gender-Bewegung: GEOX, Fiat, Mövenpick, Carrefour.

Auslese (Texte, Studien, Veröffentlichungen)

Im Rahmen unserer Arbeit stoßen wir immer wieder auf spannende Texte, Studien oder Veröffentlichungen im Internet. Eine kleine Auslese bieten wir hier.

„Die Spitze des Eisbergs. Religiös-extremistische Geldgeber gegen Menschenrechte auf Sexualität und reproduktive Gesundheit in Europa 2009 – 2018"

Die Broschüre zur Veranstaltung erklärt viele Zusammenhänge. Mehr dazu bei der Veranstaltungsnachlese.

„Gegen Frauen und Moderne: Die christlich-fundamentalistische Sorge“

Die Politikwissenschafterin Kyra Schmied analysiert in diesem Artikel den Begriff der Sorgearbeit im christlich-fundamentalistischen Milieu. Mit dem Verständnis der Sorgearbeit als Liebesakt, von Schwangerschaften als natürliche und göttlich begründete Angelegenheit wird der Sorgebegriff sehr paternalistisch interpretiert. Es gehe darum, Frauen ihre vorbestimmte Rolle im gesellschaftlichen Gefüge zuzugestehen und irrgeleitete Frauen wieder den Glauben näherzubringen. Dass in diesen Zusammenhängen auch gerne die Verfolgung von Christen ein Thema wird und ebendiese im „eigenen“ Land zu schützen seien, schafft eine Brücke zur „nationalistischen Kümmerer-Mentalität“ von rechten und rechtsextremen Gruppen.

„Strafrecht als Spielball der Politik?“

Dass gesellschaftliche Problemstellungen nicht über das Strafrecht gelöst werden können, stellen Strafverteidigerin Alexia Stuefer und SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim in diesem Bloggespräch fest. Sie sehen beim Sexualstrafrecht keinen Mangel an Vorschriften, sondern die Ursachen in einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur und dass es nach wie vor überkommene Männlichkeitsbilder gibt. Statt opferschutzzentrierte Täterarbeit zu stützen, werden Initiativen dazu auf die lange Bank geschoben.

Reinlesen

Lesenswerte Bücher gibt es wie Sand am Meer. Seien es Anregungen für die inhaltliche Auseinandersetzung, die politische Arbeit oder schlichtweg ein tolles feministisches Buch – drei ausgewählte Bücher empfehlen wir zum Schmökern

„I’m every woman“, Liv Strömquist

Wer Comics mag, sollte an diesem Buch nicht vorbeigehen. Auf recht unterhaltsame Art und Weise schafft es die Autorin, den Leser:innen einen tiefen Einblick in die Lebensrealitäten von heutigen Idolen zu geben. Wie lebte das Dienstmädchen von Karl Marx und warum kam Jenny Marx kaum außer Haus – Fragen, die in diesem Buch beantwortet werden.

„Die lodernde Lotte und andere matriarchale Märchen“, Burschenschaft Furia

Wer mit dem Buch „Die Töchter Egalias“ schon seine Freude hatte, wird dieses kurzweilige Märchenbuch lieben. Da wird erzählt von klugen Frauen, die den gefallsüchtigen Onkel nicht den schönen Schneewitterich gefährden lassen. Oder die Geschichte von Gretel und ihrem Bruder. Oder von der lodernden Lotte, die mit ihrem feurigen Willen und flammenden Mut Menschen zusammenführte, wo vorher kein Weg schien. Wer Märchen mag, wird dieses Buch besonders gerne lesen.

„Feminismus für alle“, bell hooks

Dieses zentrale Buch für und von bell hooks ist vor kurzem auf Deutsch erschienen. Es ist eine feministische Fibel, eine leidenschaftliche Stimme, die in einfachen Worten darlegt, was Feminismus ist. Dass es Männer wie Frauen sind, die Werte weitertragen. Ein Herzensanliegen der Autorin, ein Buch, das sie allen Menschen mitgeben kann, die sie liebt und die Feminismus bislang mit Negativem verbanden.

Social-Media-lese

Unmittelbar und schnell Neuigkeiten aus der ganzen Welt – die verschiedenen Formen von Social-Media-Kommunikation machen das möglich. Den Platz hier nutzen wir, um ausgewählte Beiträge vorzustellen.

Insta-Tipp: @rennerinstitut

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Diese Regel nehmen wir uns im Karl-Renner-Institut zu Herzen und zeigen auf unserem Insta-Account nicht viele schöne Fotos von unserer Arbeit, sondern bildlich untermalte inhaltliche Eindrücke zu aktuellen Themen, die uns beschäftigen. Zurzeit ist das natürlich das Thema Sicherheitspolitik in Zeiten von kriegerischen Auseinandersetzungen. Schau vorbei oder noch besser, abonniere uns!

Podcast-Tipp: Rotfunk

Anlässlich des Frauentages haben wir eine Rotfunk-Folge ausgestrahlt, die ein kritisches Thema beleuchtet. Den feministischen Generationendialog. Ausgangspunkt dafür ist das Buch „Kämpferinnen“ von Birgit Buchinger, Ela Großmann und Renate Böhm. 13 junge und jung gebliebene Feministinnen verfassten darin Porträts über feministische Vorkämpferinnen. Was sie an „ihren“ Kämpferinnen so besonders finden und warum das Lernen von den jeweils anderen Generationen für emanzipatorische Bewegungen so wichtig ist, erzählen einige von ihnen in dieser Folge.

Web-Tipp: latrash.de

Zurzeit eher ein Musikarchiv als ein Musikmagazin – Christel Weiher zeigt mit ihrem Blog ein großes Herz für unabhängige Künstler:innen, besonders für Frauen, die ihren Weg in der Musikbranche gehen wollen. Neben einer abwechslungsreichen Sammlung an Sänger:innen, Musiker:innen und Bands finden sich auch spannende Gespräche mit starken, feministischen Musiker:innen auf dem Blog. Künstlerinnen wie Jenobi sprechen darüber, dass es eine Quote in der Musikbranche braucht oder dass es die gesellschaftliche Verantwortung jeder Person ist, in einer Demokratie über strukturellen Sexismus oder Rassismus Bescheid zu wissen.

Web-Tipp: „Wien, wie sie will“

Ab 14 Jahren können alle Wienerinnen bis 10. April an Wiens größter Frauenbefragung teilnehmen. Welche Sorgen treiben dich um, was für Bedürfnisse hast du in deiner aktuellen Lebenssituation oder welche Wünsche treiben dich an. Wenn schon andere Erhebungen auf sich warten lassen, hier soll es noch heuer die Ergebnisse geben.