Warum hat ein Budget zwei Seiten?
Geld. Macht. Gleichstellung.
Was uns Gender Budgeting bringt. Ein Rückblick auf das 11. Barbara-Prammer-Symposium 2025.
Wenn Zeiten des Sparens anbrechen, sind es Frauen, die von den Auswirkungen der Sparprogramme besonders betroffen sind. Beim diesjährigen Barbara-Prammer-Symposiums zum Thema Gender Budgeting betonten die Eröffnungsredner:innen, wie wichtig es ist, vernetzt – auch über Parteigrenzen hinweg – zusammenzuarbeiten. So konnte das Instrument Gender Budgeting im Verfassungsrang verankert werden. Wie die Beispiele in den Workshops am Nachmittag zeigten, braucht es stabile Regierungen und feministische Politiker:innen, um Gender Budgeting mit Leben zu füllen. „Öffentliche Investitionen, die das Leben von Frauen erleichtern“, waren für Doris Bures als Verkehrsministerin in den 2000er Jahren ein wesentlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit. Aktuell geplante Maßnahmen wie etwa die Streichung der Bildungskarenz erschweren es Frauen, sich weiterzubilden, oder machen es gar unmöglich, wie Eva-Maria Holzleitner, SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende und stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende festhielt. Als besonders zentral sieht Holzleitner die staatliche Aufgabe, langfristig fundiertes, geschlechtersensibles Zahlenmaterial zu sammeln, um der Wissenschaft eine allumfassende Analysegrundlage geben und in Folge an der Weiterentwicklung der Gesellschaft arbeiten zu können.
Zumindest ist Österreich nicht alleine
Die EU und weltweite Frauenkonferenzen (wie die 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 1995) haben den Weg frei gemacht, um Werkzeuge wie Gender Mainstreaming und Gender Budgeting in die Verwaltung einzubinden. Der aktuelle Rückbau in vielen Ländern lässt Österreich zumindest nicht allein dastehen, wie Lázsló Andor, Generalsekretär der Foundation for European Progressive Studies (FEPS), erwähnte. Er verwies diesbezüglich auf Publikationen der FEPS zu den frauenpolitischen Folgen von ausgabenseitigen Spar- oder Förderprogrammen. Ungenutztes Potenzial sieht er auf EU-Ebene, wobei die aktuellen Proponent:innen einer potenziellen Regierung in Österreich dieses wohl nicht nutzen werden. Im Gegenteil, die nächsten Jahre werden Widerstand brauchen, darin waren sich alle Redner:innen einig. Wie dieser Widerstand aussehen sollte, dazu gab es unterschiedliche Vorschläge. Die renommierte Ökonomin Diane Elson brachte in ihrem Vortrag konkrete Handlungsmöglichkeiten ein: dass es Frauen in Entscheidungspositionen braucht; dass sich in einem sozialen Gefüge und für den sozialen Frieden Vermögende beteiligen müssen; und dass Spanien mit Vermögensbesteuerung reüssiert.
Folien Keynote „Geld. Macht. Gleichstellung. Lehren auf globaler Ebene“, Diane Elson, em. Professorin an der Universität Essex, Großbritannien
Der lange Atem der Frauenpolitik
Schon 1928 hatte die sozialdemokratische Abgeordnete Gabriele Proft zum 10-jährigen Jubiläum der Ersten Republik eine geschlechtsspezifische Budgetrede gehalten, auf Einnahmen und Ausgaben geschaut, auf Steuern und auch auf indirekte Steuern hingewiesen, die zu zahlen waren. Ein knappes Jahrhundert später findet sich Gender Budgeting im Verfassungsrang – eine Errungenschaft der Frauenbewegung, die noch mit Leben zu füllen ist, wie die Chefökonomin des Momentum Instituts, Katharina Mader, nicht müde wird zu betonen. Sie zeichnet in ihrer Keynote einen großen Bogen von den Sparpaketen in den 90er- und 2000er–Jahren zum Thema und vermisst bei aktuellen wie ehemaligen Sparpaketen die fehlenden systematischen Analysen. Die Auswirkungen waren immer gleich und haben zuerst Kinder und Frauen betroffen, weil bei Familienleistungen oder in der sozialen Infrastruktur gespart wurde und damit die unbezahlte Arbeit von Frauen stieg. Selbst wenn die Verwaltung hervorragende Arbeit in der Umsetzung von Gender Budgeting leistet, solange der politische Wille fehlt, werden in diesen Bereichen kaum Fortschritte zu verzeichnen sein.
Frauen fürchten sich vor Männern
Wie Gender Budgeting im Leben greifbar wird, führen zwei unterschiedliche Städte Europas vor – Umeå und Wien. Rund 130.000 Menschen leben in der schwedischen Stadt Umeå. Ziel ist es, bis 2050 auf 200.000 Einwohner:innen anzuwachsen. In Ranking zur Lebensqualität schneidet Umeå regelmäßig sehr gut ab. Seit mehr als zehn Jahren verwenden sie ein besonderes Werkzeug, um Geschlechtergerechtigkeit messbar und sichtbar zu machen, wie Annika Dalén, hiesige Gender Equality Officer in der Paneldiskussion am Nachmittag, schildert: eine „gendered landscape“. Anhand dieser Landkarte werden umgesetzte Projekte und die Auswirkungen von Gender Budgeting greif- und sichtbar. Für zwei Projekte ist Umeå besonders berühmt – den Lev!-Tunnel sowie ein von Mädchen mitgeplanter Skatepark. Der Lev!-Tunnel ist eine 170 Meter lange, helle und breit beleuchtete Unterführung für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen, die weder Kanten, Ecken noch Nischen hat, hinter denen sich potenzielle Gefährder verstecken könnten. „Sicherheit im öffentlichen Raum ist ein zentrales Thema – Frauen fürchten sich nicht vor Orten, sie fürchten sich vor Männern!“, hält Dalén fest. Was aus ihrer Perspektive zur erfolgreichen Umsetzung beiträgt, ist die Ansiedelung ihrer Abteilung in der Stadtplanung, nicht im Personalbereich.
Folien „UMEÅ, Sweden working with gender equality to create space for everyone“, Annika Dalén, Gender Equality Officer, Stadt Umeå, Schweden
Der Genderbot weiß Rat
Wien, um ein Vielfaches größer als Umeå, startete zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie Umeå mit Gender Mainstreaming und kann mittlerweile auf viele erfolgreiche Projekte zurückblicken, wie Ursula Bauer, Dezernatsleiterin für Gender Mainstreaming in der Stadt Wien, schildert. So übererfüllt Wien die Barcelona-Ziele in der Kinderbetreuung und investiert seit Jahrzehnten in deren Ausbau. Eine aktuelle Innovation ist der Genderbot zur Unterstützung von Verwaltungsmitarbeiter:innen, die im Hintergrund an der Umsetzung von Gender Budgeting arbeiten. Der Bot liefert Daten und Antworten auf klassische Fragen der Mitarbeiter:innen und vereinfacht damit komplexe Arbeitsprozesse.
Folien „Vienna: Integration the Gender Perspective to the Budgting Process“, Ursula Bauer, Dezernat Budgetangelegenheiten, Referat Gender Budgeting, Stadt Wien
Rück- und Wiederaufbau von Gender Budgeting
Die aktuellen politischen Entwicklungen und Diskussionen lassen nicht darauf hoffen, dass das Werkzeug des Gender Budgetings künftig von politischen Entscheidungsträger:innen gestärkt wird. Ein Wiederaufbau wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Umso wichtiger, dass bei aktuellen Sparpaketen darauf geachtet wird, dass Budgets nicht ausschließlich ausgabenseitig saniert werden, sondern auch einnahmenseitig auf einen Ausgleich hingearbeitet wird. „Dafür hat das Budget auch zwei Seiten“, wie Mader im Rahmen ihres Vortrages festhielt.
Die Eröffnungsrede von Andreas Babler ist in Deutscher Sprache verfügbar. Hier geht es zu den Folien von Helmut Berger, eh. Leiter des Budgetdienstes, Parlamentsdirektion.